Enthält der Songtext von Herbert Grönemeyer nicht alle männlichen Klischees? Einige stimmen, einige nicht.
Aber wann ist denn ein Mann nun ein Mensch und wann ist er ein Mann?
Gibt es überhaupt einen Unterschied? Fragen über Fragen, die sicher nicht alle beantwortet werden können. Sagen wir mal, es gibt Tendenzen, was typisch Mann oder Frau ist. Einen Stempel aufzudrücken wäre jedoch zu viel des Guten.
Fakt ist …
- … es gibt Männer und Frauen.
- … es gibt Unterschiede zwischen den Geschlechtern.
- … es existieren tatsächlich noch immer gewisse Erwartungen, was ein Mann alles können und sein muss.
- … nicht alle Männer sind auch automatisch Handwerker.
- … nicht alle Frauen sind automatisch keine Handwerker.
- … Männer bekommen wirklich keine Kinder.
- … nicht alle Männer bekommen dünnes Haar.
- … die Welt besteht nicht aus Schubladen.
Handwerkliches Geschick ist angeboren
Der männlichen und weiblichen Emanzipation zum Trotz bestehen noch immer gewisse evolutionäre Vorstellungen, was ein Mann alles können und sein muss. Gern wird darauf zurückgegriffen, dass Männer ja die Jäger waren und dies auch heute noch ausüben. Das weibliche Geschlecht sammelte Beeren, heute sind es die Schuhe. So ein Unsinn! Lasst es euch gesagt sein: Wir leben im 21. Jahrhundert und es gilt, endlich veraltetes Gedankengut abzulegen.
Der Gesetzgeber macht es vor, denn auch Männer können Elternzeit nehmen, obwohl nicht sie es sind, die den Nachwuchs zur Welt bringen. Sie sind aber genauso daran beteiligt. Herbert Grönemeyer bedient in seinem Song schon zahlreiche Klischees und es existieren noch etliche mehr. Wie wäre es denn, den Blick einmal von rückwärts nach vorn zu richten?
Wir Menschen sind die einzigen Säugetiere, die nach ihrem Bewusstsein handeln können. Klischees sind in der Evolution zu Hause. Lassen wir sie dort und benutzen unser Gehirn, das genial funktioniert. Männer haben sogar mehr davon, was aber nicht heißt, dass sie schlauer sind. Es ist nur anders strukturiert. Schon die Steinzeitmenschen hatten die gleichen genetischen Anlagen, wie wir heute.
Dasselbe Potenzial stand ihnen zur Verfügung. Die moderne Hirnforschung hat jedoch herausgefunden, dass das menschliche Gehirn sich immer so ausbildet, wie es genutzt und gebraucht wird. Das ist doch die Chance, endlich etwas zu verändern und unsere Erwartungen zu entsorgen. Lassen wir doch die Männer einfach Männer sein. Sie sind Menschen, nur eben männlichen Geschlechtes.
Vielleicht ist der Vater eines Mannes Handwerker und die Mutter Sängerin. Erwartet nun die Welt, das Sohnemann automatisch auch gut mit Werkzeug umgehen und die Tochter wunderbar singen kann? Was passiert, wenn dies nicht der Fall ist? Dann ist doch die Enttäuschung auf beiden Seiten vorprogrammiert. Es könnte auch umgekehrt sein oder keines von beiden.
Den Genpool können wir nicht kontrollieren, aber ist es nicht immer wieder spannend, was ein Mensch im Laufe seines Lebens zustande bringt? Welche Gaben und Talente, aber auch Untugenden er mitbringt? Es ist Aufgabe der Eltern, zu fördern oder zu hemmen. Ein Mensch ist wie ein unbearbeiteter Diamant, ein guter Edelsteinschleifer erkennt die Stellen, die geglättet werden müssen, damit vielleicht sogar ein Brillant daraus wird.
Warum nicht alle Männer (Menschen) gleich sind
Wäre die Vorstellung, dass alle Männer (und auch alle Frauen) gleich sind, nicht furchtbar? Alle Männer wären Handwerker, könnten nicht zuhören, ließen Zahnpastatuben und Klodeckel offen, hätten kein Einfühlungsvermögen, liebten Autos über alle Maßen, und, und, und …
Wie sähe es bei den Frauen aus? Keine Frau wäre in der Lage, einen Nagel in die Wand zu schlagen. Jede Wohnung hätte ein Schuhzimmer, die Naivität wäre vorprogrammiert, das Klischee KKK (Kinder, Küche, Kirche) wäre wahr. Genialerweise ist da aber nun das menschliche Gehirn, das ein Umdenken möglich macht. Klar, sie steckt uns noch in den Knochen – die Vorstellung vom typischen Mann bzw. der typischen Frau. Doch haben wir es nicht in der Hand, das zu ändern?
Erwartungen machen Stress
Bewirbt sich ein Mann auf einen bestimmten Job, darf der zukünftige Arbeitgeber auch erwarten, dass dieser ihn mit allen Anforderungen ausfüllt, dass er alle Fähigkeiten beherrscht, die das Jobprofil vorgibt. Doch erwarten wir lieber nicht von einem Mann, dass er automatisch ein talentierter Handwerker ist! Ein im Gemüt nicht ganz so starkes männliches Exemplar kann dabei nur verlieren – fühlt er sich doch permanent ungenügend.
Die Seele leidet und das Glück im Leben ist ihm im schlimmsten Fall versagt. Schließlich kann er die Erwartungen niemals erfüllen! Er strengt sich ja an, aber der Hammer landet eher auf dem Daumennagel, als auf dem Nagel an der Wand. Ist es dann nicht die Aufgabe der Frauen, einfach fröhlich und lachend (nicht auslachend) darüber hinwegzugehen und den Hammer selbst in die Hand zu nehmen (oder was immer sonst im Haus an handwerklichen Dingen zu erledigen ist)? Vergessen wir auch nicht: Es gibt hochtalentierte Handwerker, die alles erledigen, was man nur will, sofern wir sie auch bezahlen. Ihnen fehlt’s vielleicht an anderen Talenten.
Das untalentierte Handwerkerexemplar kann dafür vielleicht wunderbar kochen oder singen. Es gibt auch strickende Männer, die aber leider häufig belächelt werden. Warum? Wer sagt denn, dass Handarbeiten den Frauen vorbehalten sind? Es ist doch auch ein Handwerk. Das Schneiderhandwerk zum Beispiel war zu früheren Zeiten ein rein männliches. Lassen wir die Männer doch einfach tun, was sie gerne tun möchten und seien wir stolz darauf. Ermutigung heißt das Zauberwort.
Unter den Männern gibt es auch die absoluten Kopfmenschen (das alles trifft selbstverständlich auch auf Frauen zu – nur damit hier kein falsches Bild entsteht). Vergangenheit und Gegenwart brachten und bringen geniale Philosophen und andere Weltverbesserer hervor. Männer verändern die Welt! Es waren und sind viele Freidenker unter ihnen – zum Glück!
Der Mann als Mensch
Zuallererst sind Männer Menschen. Ihre Gene können sie sich nicht aussuchen. Was bitteschön ist an einem Frauen hinterherpfeifenden Straßenarbeiter so sexy? Er scheint ein „echter“ Mann zu sein – vermutlich aber nur im Verband mit den Arbeitskollegen. Isoliert man ein solches Exemplar von seinen Mitstreitern, kommt oft ein ganz anderer Typus dabei heraus.
Der Gruppenzwang spielt eine große Rolle im männlichen Leben. Schließlich will Mann dazugehören und bewundert werden. Im Grunde braucht aber doch jeder Mensch die Zustimmung anderer Menschen. Das stärkt das Selbstwertgefühl. Denn die Bestätigung drückt ja aus Du bist in Ordnung – einfach cool!
Das beginnt schon im Kindesalter und kluge Eltern erkennen dies auch. Sie geben dem Nachwuchs die Möglichkeit, zu starken und selbstbewussten Erwachsenen zu werden. Kinder erwartungsvoller Eltern haben es jedoch schwer. Erfüllt der Sohn ihre Erwartungen nicht, wird er dies vermutlich immer zu spüren bekommen. Dieses Gefühl kann er auch im Erwachsenenalter nicht ablegen. Was wir von unseren Eltern bekommen, wird auch im späteren Leben noch da sein.
Altlasten sind schwere Lasten. Bürden wir sie doch unseren Kindern erst gar nicht auf. Nehmen und fördern wir sie so, wie sie sind. Liebe Eltern, sagt Ja zu euren Jungs und macht starke Männer aus ihnen, ganz egal, ob sie handwerklich begabt sind oder nicht. Diese Stärke – auch Selbstwertgefühl genannt – lässt sie im Leben, das ja bekanntlich recht stürmisch werden kann, standfest werden.
Aufklärung – es ist alles ganz einfach
Das Glück eines Menschen liegt zunächst in der Hand anderer Menschen (Familie). Geben wir doch jedem Mann die Chance, der zu werden, der er werden will und kann. Schrauben wir unsere Erwartungen herunter, nehmen und lieben wir ihn doch so, wie er ist – mit allen Stärken und Schwächen. Jeder Mann hat seine Existenzberechtigung.
Lassen wir die Gene entscheiden, welche Talente sich ergeben. Wenn wir dann akzeptieren und fördern, was wir sehen und erfahren, sind wir alle reich beschenkt und er darf ein glücklicher Mensch sein – mit all seinen Fehlern und Talenten. Macht uns das nicht alle glücklich? Ist das vielleicht sogar der Schlüssel zum Glück?