Natürlich wissen auch wir, dass die stereotypische Darstellung des Gamers von der Realität mindestens so weit entfernt ist, wie Zeitreisen. Dennoch – in den letzten Jahren hat sich die Sicht und auch die Persona des Gamers stark verändert.
Nicht nur von außen betrachtet, sondern auch aus subjektiver Sicht, denn es gibt schon lange nicht mehr ‚den Gamer‘, wie man ihn noch vor 20 Jahren in der Gesellschaft betrachtete.
Spielertypen sind vielschichtiger und breiter in der Gesellschaft vertreten, als jemals zuvor und längst hat es eSports als angesehene Sportart oder mindestens als Freizeitbeschäftigung in die Wahrnehmung der Menschen geschafft.
Natürlich auch durch Umstände wie die Tatsache, dass eSport olympische Disziplin wird, wie man im eSport Kicker nachlesen kann. Diese rasante Veränderung haben wir zum Anlass genommen, uns dem Gamer-Typen noch einmal stereotypisch zu nähern und anzuschauen, wie er sich in den letzten 20 Jahren entwickelt hat und wo es in Zukunft hingehen könnte.
Gaming und Gamer in den letzten 20 Jahren
Denkt man 20 Jahre ins Jahr 1998 zurück, dann gibt es zwei Betrachtungsweisen. Der typische Gamer in den Köpfen der Menschen war einerseits der Konsolenspieler, der typische introvertierte Typ, abgeschnitten von der Außenwelt. Auf der anderen Seite wurde aber auch damals Gaming schon professionell – wenn auch als Nischen-Beschäftigung – betrieben.
Bereits 1997 gründete sich SK Gaming als LAN-Clan, denn zu dieser Zeit gab es bereits seit einigen Jahren PC-Multiplayer Kracher wie den Halflife-Mod Counter-Strike. Mit der Veröffentlichung von ISDN durch die deutsche Telekom erfuhr das Internet damals einen Speed-Boost, der es PC-Spielern erlaubte, schon damals ausgedehnte Gefechte auszuüben, auch wenn zu dieser Zeit LAN-Parties noch deutlich beliebter waren, als Multiplayer-Sessions über das Internet. Aber: Bereits damals wurde der eSport als Disziplin geboren.
1998 – 2001
Insbesondere auch in der Konsolenwelt tat sich viel. Die Konsole von Sony und Sega – die Dreamcast – wurde als Konkurrent zu Nintendo veröffentlicht und sollte die N64 der Konkurrenz das Fürchten lehren. Zwei Jahre später wurde die Playstation 2 veröffentlicht und Sony setzte sich an der Spitze der Videospielbranche fest. Bereits ein Jahr später reagierte Konkurrent Nintendo mit der Veröffentlichung des Gamecube und des Gameboy Advance.
Im gleichen Jahr kommt auch die erste XBox auf den Markt, sodass ein neuer Player auf dem Konsolenmarkt in Erscheinung trat. Der Herr der Ringe kam ebenfalls in diesem Jahr 2001 in die Kinos. Das Epos wirkte sich indirekt auch auf die Spielelandschaft aus, denn Storytelling und umfangreiche Spielwelten mit Romancharakter etablierten sich zunehmend. Auch GTA 3 kam 2001 auf die Bildfläche.
2002 – 2005
Bereits 2002 fand in Leipzig die erste Games Convention statt, seinerzeit noch eine Veranstaltung für eine Minderheit von ‚Gamern‘, die noch als Stereotyp in den Köpfen vorhanden waren. 2003 kam dann die erste stabile Version von Steam auf den Markt, die für einen Durchbruch im Multiplayer-Gaming-Markt auf dem PC sorgte. Zu dieser Zeit waren Konsolenspieler überwiegend in ihrer Plattform gefangen und Multiplayer auf der Konsole war kein großes Thema.
Mit Steam änderte sich vieles schlagartig. Halflife 2 kam 2003 auf den Markt, dann nahm das schon Ende 2004 releaste World of Warcraft im Jahr 2005 massiv an Fahrt auf. Das erste MMORPG, das es geschafft hat, Menschen aller Altersklassen und sozialen Schichten zu vereinen. Ein Meilenstein in der Entwicklung des Gaming und der Entwicklung der Gamer im Allgemeinen.
2006 – 2009
2006/07 folgt die Wirtschaftskrise sowie die Veröffentlichung der Wii, die es schafft, das Konsolenspiel ins Wohnzimmer zu holen, wo man gemeinsam dank intuitiver Steuerung an der Konsole spielt. Das Profil des Gamers wurde plötzlich deutlich breiter gefächert. Plötzlich spielte man abends in gemütlicher Runde, statt Fern zu sehen.
Die Wii ist daher maßgeblich an der Erschließung eines damals noch neuen Gaming Markts beteiligt, nämlich des „Casual Gamings“. Spieler werden nicht mehr nur als stereotype Gamer gesehen, denn jeder kann plötzlich zu einem Gamer werden – so findet das Gaming schließlich Einzug in die Köpfe der Mehrheit der Deutschen.
Eng damit einher gehen auch Großereignisse wie der Release des ersten iPhone im Jahr 2007. Über Apps im Smartphone wurden Spiele plötzlich überall verfügbar und es konnten kurze Wartezeiten überbrückt werden. Das Casual Gaming war endgültig in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Exakt zum richtigen Zeitpunkt wurden auch große Casual-Spiele Anbieter wie upjers gegründet, die mit Spielen wie My Free Zoo der My Free Farm den Casual Gaming Markt eroberten. Auch die heute großen Casinogiganten traten erstmals auf die Bildfläche.
So wurde Betway bereits 2006 gegründet und brachte klassische Casinospiele und Slots zu den Casual Gamern und auf Mobilgeräte – ein Meilenstein der Casinobranche. 2008 feierte auch die Nintendo DS große Erfolge und bereits 2009 waren Casual Games zu einem wichtigen Eckpfeiler der Spieleindustrie geworden, was sich in Releases wie Angry Birds manifestierte. Ebenfalls 2009 begann die unglaubliche Erfolgsstory von Minecraft, die bis heute anhält.
2010 – 2013
2010 versuchen sowohl Microsoft, als auch Sony bei ihren Konsolen das Erfolgskonzept der Wii zu kopieren sowie die Bedienung intuitiver und noch casual-lastiger zu machen. Zugang zu großen Spieletiteln sollten ab sofort nicht mehr nur technisch versierten zur Verfügung stehen, sondern jedem. Anschalten und Losspielen lautete die Devise. Rockstar sorgte in diesem Jahr mit der Erscheinung des Western-Klassikers Red Dead Redemption für Aufsehen, der 2018 mit dem zweiten Teil fortgesetzt wurde.
Ein gigantischer Rollenspiel-Klassiker kam 2011 auf den Markt und begeisterte nicht nur Hardcore-Spieler, sondern auch Casual Spieler durch seine gigantische Spielwelt: Elder Scrolls 5. 2011 brachte Nintendo die Wii U auf den Markt – ein großer Misserfolg. 2013 kam dann die nächste Konsolengeneration auf den Markt – die Playstation 4 und die XBox One, wobei sich die PS4 deutlich von der Konkurrenz absetzen konnte. Ein weiterer Meilenstein erscheint mit Rockstars GTA V.
2014 – 2017
2014 begann die Virtual Reality Welle, die bis heute anhält. Amazon kauft für knapp 1 Milliarde US-Dollar Twitch – eine Game-Streaming-Plattform. Daran erkennt man deutlich, dass Gamer spätestens zu diesem Zeitpunkt keine aktiven Hardcore-Zocker mehr sind. Auch die Zahl diejenigen, die anderen beim Spielen zuschauen, steigt und der Trend wächst unaufhaltsam. 2016 erschien Blizzards Overwatch und läutete eine Zeit des bunten Miteinanders ein.
Spieler aus aller Welt spielen heute in Multiplayer-Titeln wie Fortnite, das 2017 erschien, miteinander und gegeneinander. Nintendo bringt mit der Switch wieder eine Erfolgskonsole auf den Markt. Sowohl Hardcore-Spieler werden mit Spielen wie League of Legends oder World of Warcraft und ständig neuen umfangreichen Tripple-A Titeln bedient, als auch Casual Spieler, die über App Stores für wenig Geld und über Micro-Transaktionen ständig mit neuem Content versorgt werden. Egal, wer wie viel und wo spielen will, der Markt stellt für jeden das perfekte Produkt zur Verfügung und nie war die Nachfrage so groß.
Gaming in Deutschland heute
Wie Game.de berichtete, ist das Durchschnittsalter der Gamer in Deutschland heute auf 36 Jahre angestiegen. Unvorstellbar noch vor 20 Jahren. Rund 9,5 Millionen Spieler sind sogar über 50 und bereits jeder zweite deutsche spielt Computer- bzw. Videospiele.
Auch bemerkenswert: Frauen haben die 50%-Hürde aller Gamer erreicht. Außerdem ist der Gaming-Markt mit einem Volumen von 3,3 Milliarden Euro zu einem gigantischen Markt aufgestiegen, der längst viel mehr ist, als nur ein Casual-Markt oder ein Massenphänomen, das nur wenige betrifft.
Vom Gamer zum Nicht-Gamer Stereotyp
Heute sind Spiele überall und jederzeit verfügbar. Auf mobilen Konsolen wie Nintendos Switch, die hochwertige Spiele in aller Grafikpracht auf ein mobiles Gerät bringt oder einfach auf einem Smartphone, dem PC, Laptop oder sogar auf den Smart TV Sticks wie Amazons Fire TV Stick.
Gaming ist omnipräsent und Sony schaffte es mit Playstation VR sogar, virtuelle Welten zum erschwinglichen Preis ins Wohnzimmer zu bringen. ESports wird bald olympisch sein und längst ist jedem klar: Gamer ist kein Stereotyp sondern eine Einstellung.
Statt der Vermutung, dass Gaming nochmal an Fahrt verliert und die Industrie schrumpft, könnte man eher mutmaßen, dass in einigen Jahren letztendlich jeder in gewisser Weise ein Gamer ist und sich ein neues Stereotyp entwickelt: Der Nicht-Gamer. Innerhalb von nur 20 Jahren hat sich ein Stereotyp einmal komplett von links nach rechts gedreht – bemerkenswert.