Andere spielen in ihrer Freizeit Fußball oder Tennis, er durchschwimmt Meere: André Wiersig stellt sich einer Herausforderung, die bisher gerade einmal 11 Menschen geschafft haben. Und das alles nur, weil er es einmal nicht zu einer Boje geschafft hat.
Nur mit Badehose und Schwimmbrille bewaffnet stellt er sich den Weltmeeren – und ist auf dem besten Weg, seine persönliche Mission zu erfüllen.
Die Ocean‘s Seven
Was für Bergsteiger die Seven Summits sind, sind für Schwimmer die Ocean’s Seven: Die sieben am schwierigsten zu durchschwimmenden Meerengen der Welt.
Die Straße von Gibraltar. Der Ärmelkanal. Der Nordkanal zwischen Irland und Schottland. Das sind nur drei der sieben Strecken – zusammengerechnet 186km Meerwasser gilt es zu durchschwimmen.
Zehn Menschen haben diese unmenschliche Herausforderung bisher geschafft. André Wiersig will sich jetzt als erster Deutscher in diesen exklusiven Kreis einreihen – und bereitet sich darauf vor, bald die fünfte Meerenge zu bezwingen.
Wie kommt man auf eine solche Idee?
Das ist sicher eine berechtigte Frage. Wiersig ist schon immer viel geschwommen, der Schlüsselmoment kam aber vor gut sechs Jahren: Statt wie gewohnt im Sommer, stand der Schwimmer schon im Februar am Strand in Ibiza – und schaffte es wegen des eiskalten Wassers nicht, wie sonst zu seiner Lieblingsboje zu schwimmen.
Das ließ er nicht auf sich sitzen. Nach einem Jahr voll kalter Duschen schaffte er es zur Boje – und beschloss, den Ärmelkanal zu durchschwimmen.
Eineinhalb Jahre später ging er in England ins Wasser und stieg nach knapp 10 Stunden aus dem Wasser. Mit dem festen Entschluss, sich diese Tortur noch sechs weitere Male anzutun.
Haie sind das geringste Problem
Ob er unterwegs schon Haien begegnet ist? Sicher, immer wieder. Bei seiner nächsten Strecke wird er deshalb einen Sichtschutz unter sich herziehen lassen. Doch es gibt zwei Dinge, die im offenen Meer noch viel gefährlicher sind:
Zum einen die Kälte. Würde man euch oder uns in den Nordkanal werfen, wir wären nach wenigen Minuten bewusstlos. André Wiersig dagegen widerstand der Kälte über 12 Stunden lang.
Zum anderen die Quallen. Portugiesische Galeeren, um genau zu sein: Bis zu zehn Meter lange Tentakel und ein Gift, das kleinere Fische problemlos töten kann – vor Hawaii bescherte ihm dieser Meeresbewohner die wohl schmerzhafteste Schwimmerfahrung.
Aufgeben ist keine Option
Doch seine Mission hat Wiersig immer vor Augen. Egal, ob er dank starken Strömungen fünf Stunden auf der Stelle schwimmt. Seine Hände nach der Quallen-Begegnung wochenlang taub sind. Oder er bis in die tiefschwarze Nacht hinein schwimmen muss:
Er schwimmt. Und wird damit nicht aufhören, bis er sein Ziel erreicht hat.
Auf dem Meer ist er ganz auf sich allein gestellt. Zwar begleiten ihn immer ein Kajak und ein Begleitboot zur Orientierung und Versorgung mit Nahrung – den Kampf mit den Wellen, der Strömung und seiner Psyche muss er aber ganz allein führen.
Extremsportler und Meeresbotschafter
Das sind die beiden Rollen, in die Wiersig in seiner Freizeit schlüpft – und es sind sicher nur wenige Menschen dem Meer so nah wie er. Immer einmal wieder berichtet er auch von den Sorgen, die ihn im Bezug auf das Meer beschäftigen:
Wenn er nachts in eine Europalette oder eine Plastiktüte schwimmt, ist das für ihn ein echter Schreckmoment. Aber auch ein Moment, der ihm klar macht: Wenn es um den Umweltschutz geht, haben wir noch einen weiten Weg vor uns.
Und noch etwas treibt ihn um: Er vermutet, dass seine aktuelle Mission in 20 Jahren vielleicht schon unmöglich ist – denn durch die Überfischung der Meere haben die Quallen immer weniger Fressfeinde. Und verkommt das Meer zu einem einzigen Quallenbecken, macht das Baden (auch am Strand) wohl keinen Spaß mehr.
Ein Mann, von dem wir alle lernen können
Und damit meinen wir nicht nur in Bezug auf die Umwelt und das Meer – auch wenn die Botschaft, die er so verbreitet, definitiv eine wichtige ist.
Was wir von ihm vor allen Dingen lernen können: Wer mit Leidenschaft und Spaß an eine Herausforderung herangeht, den kann nichts aufhalten. Egal, ob es dabei um Extremsport oder das Geschäft geht. Oder sogar beides.
Schon im Juli diesen Jahres macht sich André Wiersig auf, die fünfte der sieben Meerengen zu durchschwimmen: Die Tsugaru-Straße zwischen zwei japanischen Inseln. Begleiten werden ihn auf diesen 20 Kilometern vor allen Dingen starke Strömungen und Strudel – von seiner Mission werden auch die ihn aber nicht abhalten können.