So pervers sind Gaffer: Ist es wert Tote zu riskieren?

Perversion Gaffen – ist das normal ?

Der Duden definiert das Wort „gaffen“ so:

“ …neugierig, sensationslüstern jemanden, etwas anstarren, einen Vorgang verfolgen…“

Diese Angewohnheit an sich ist schon widerlich. Aber es bleibt nicht beim Glotzen und Gaffen.

Katastrophen, Unfälle und Prügelattacken werden gefilmt und detailliert fotografiert.

Erste Hilfe leisten? Zivilcourage zeigen? Fehlanzeige, sonst würde einem das gute Material noch einer wegschnappen.

Dann wird gepostet, was das Zeug hält und jeder Follower frenetisch gefeiert.

Blutige Unfälle und brutale Verbrechen auf Platz Eins

Diese Woche spielte sich wieder einmal eine Bilderbuch Szene ab, die typisch für das ekelerregende Verhalten von Gaffern ist.

Auf der A3 zwischen Frankfurt am Main und Würzburg verunglückten u.a. mehrere LKWs. Drei Menschen verloren ihr Leben.

Der Unfall war so verheerend, dass die Autobahn ca. 12 Stunden gesperrt werden musste.

Zur exakt derselben Zeit, als Rettungskräfte und das Bergungsteam um Menschenleben kämpften und mit der Beseitigung von Unfallfahrzeugen und Trümmerteilen beschäftigt waren, versammelte sich eine geifernde Menge um das Chaos. Sie blockierten die Rettungsgasse mit ihren Autos, damit sie hautnah dabei sein, und mit den Smartphones besser Bilder von der Unfallstelle machen konnten.

Wie eine ausgehungerte Meute Hyänen drängten sich die Gaffer auch auf der Gegenfahrbahn und versammelten sich auf einer Brücke, damit sie eine besser Sicht hatten.

Ein Polizeibericht dokumentiert, dass tatsächlich Aufnahmen von den tödlich verunglückten Opfern gemacht wurden. Die Einsatzkräfte hatten keine Chance die Vielzahl an Gaffern zu überwachen und jeden Idioten an seinen perversen Schnappschüssen zu hindern.

Die Feuerwehr musste handeln und setzte Wasserstrahler ein. Auch die Polizei konnte vereinzelt reagieren und nahm die Personalien von so vielen bescheuerten Gaffern wie möglich auf. DANKE!

Eine abartige Entwicklung ohne Hemmungen

Das ist kein Einzelfall.

Tendenz steigend, die Hemmschwelle sinkt und die Skrupellosigkeit nimmt zu.

– In Leipzig wurde ein Mann von einem Sattelschlepper erfasst und getötet.

Die Schaulustigen weigerten sich andere Straßen und Wege zu benutzen, weil sie keinen Umweg gehen wollten.

– 1988, das Geiseldrama (von Gladbeck) spitzte sich in Köln zu. Mitten in der Innenstadt parkte das Auto mit den Tätern Rösner, Grabowski samt Geiseln und wurde von der Presse und Schaulustigen eingekesselt. Das Resultat: drei Todesopfer.

– Während eines Badeunfalls in Königsbrunn im Juli sabotierten Gaffer die Sanitäter. Das 17-jährige verunglückte Mädchen, befindet sich nach wie vor in einem lebensbedrohlichen Zustand.

– Gangs verprügeln Passanten. Die Zahl der Live Bilder auf Youtube sind nicht schneller veröffentlicht, als der Krankenwagen vor Ort

– Ein Feuer im Hochhaus, und die Nachbarn kommen um drei Uhr früh in Morgenmante aus ihren Betten gekrochen, damit sie alles besser sehen können.

Jetzt fehlt nur noch ein halbnacktes Modell mit Bauchladen, die Sticker, Kappies und Popcorn verkauft.

Die Abartigkeit besteht darin, dass die Zahl der bescheuerten Gaffer jeden Tag steigt, UND die Menschen, die sich dieses Zeugs angucken!

Strafe? Lächerlich und makaber!

Der aktuelle Bußgeldkatalog ist ein Hohn für alle Opfer, ihre Familien und Freunde.

Hier ein Auszug:

Wenn man den Seitenstreifen auf der Autobahn benutzt und dadurch die Rettungskräfte behindert, kostet das 20,- EUR.

Das Parken auf dem Seitenstreifen und eine Behinderung der Rettungskräfte kostet unglaubliche: 25,- EUR.

„Gaffen“ als Ordnungswidrigkeit kann zwischen lächerlichen 20,- EUR bis 1.000,- EUR kosten.

Damit ein Gaffer zur Rechenschaft gezogen werden kann, muss man ihm erstmal sein Vergehen nachweisen können.

Und das ist komplizierter, als es sich anhört, denn die Polizei muss sich erstens um den Unfall, Katastrophe oder das Verbrechen kümmern.

Zweitens ist ihre Kapazität selten ausreichend, damit parallel die perversen Schaulustigen in flagranti erwischt und angezeigt werden können.

In weiteren Schritten ist es schier unmöglich bereits veröffentlichte Bilder den ursprünglichen Tätern zuzuordnen. Der kann immer behaupten, dass er die Fotos im Netz gefunden hat. Weitere Ermittlungen kosten Zeit und viel Geld.

Bei der Flut von Gaffer-Fotos ist es ein Kampf gegen Windmühlen.

Was passiert mit Gaffern, die Folgeunfälle verursachen, auslösen und sogar wissentlich in Kauf nehmen?

Was passiert mit Gaffern, wenn sie einen Rettungseinsatz be- oder sogar schlimmer verhindern und das Opfer durch die Zeitverzögerung stirbt?

Handelt es sich dann um Totschlag?

Wie weit gehen die Ermittlungen und Kapazitäten, um diese Kriminellen strafrechtlich verfolgen zu können?

Angebot und Nachfrage

Wenn Erna und Helmut schwarz geröstet (der Dermatologe reibt sich schon die Hände) aus ihrem Urlaub heimkehren und berichten, wie ein Surfer von einem Hai zerfleischt wurde, ist die Reaktion der Zuhörer:

„Nein, wirklich?“.

„Ja, haben wir mit eigenen Augen gesehen. Das ganze Blut, das halbe Bein, furchtbar“.

„Ja, das ist ja schrecklich. Habt ihr Fotos gemacht?“.

„Klar. Wollt ihr mal sehen?“.

„Natürlich! Sind aber sehr verwackelt, kann man ja kaum was drauf sehen“.

Kommt Euch das bekannt vor?

Am 11. September 2001 fluteten nicht nur schmierige Klatschblätter, sondern auch seriöse Nachrichtensender, alle Zuschauer (gleich Gaffer?) und Leser (gleich Gaffer?) mit Bildmaterial von den Menschen, die in Todesangst aus den Twintowers gesprungen sind.

Eigentlich war auf den Bildern und Aufnahmen nicht viel zu sehen, aber riesige Pfeile deuteten auf winzige Punkte und eine Headline unterstrich unnötigerweise „Hier springt ein Mann in den Tod“.

Wer hat den Fernseher ausgeschaltet? Wer hat keinen Blick auf BILD, EXPRESS und Co. geworfen bzw. gekauft?

Mal sind es die Paparazzi, die Promi-News und einen nackten Nippel verkaufen.

Dann sind es Auslandskorrespondenten, die live aus Kriegs- oder Katastrophengbieten (Tsunami, Erbeben etc.) berichten.

Abends und am Wochenende glühen die Handys aller Laien-Regisseure, die sich daran versuchen Sensationen und Tragödien einzufangen und noch vor Sonnenaufgang in den Sozialen Netzwerken zu veröffentlichen.

Für einen kurzen Moment stehen sie im Rampenlicht, haben irre Einschaltquoten und tausend Clicks.

Der Ruhm bzw. Aufmerksamkeit verpufft zwar in Sekunden, spätestens bis zur nächsten Ausgabe, aber er war da.

Wann wird Neugier zum krankhaften Gaffen?

 Subjektiv beurteilt:

– wenn Hilfe oder Rettungseinsatz durch sabbernde Aasgeier (Ja, ich meine die glotzenden Idioten) gefährdet und behindert wird.

– sobald ein Ereignis zur persönlichen Bereicherung oder aus kommerziellen Gründen benutzt wird.

– wenn Persönlichkeitsrechte mit Füßen getreten werden.

Nur mal kurz schauen.

Jeder ist neugierig und der Reflex mal eben zu gucken ist menschlich.

Auf Facebook, Instagram oder YouTube sind jede Sekunde neue Skandale, Fehltritte und Unfälle zu sehen. Wo liegt denn da bitte eine akzeptable Schamgrenze, wenn es alle filmen? Alle schauen?

Ab welchem Zeitpunkt ist es makaber?

Homevideos mit betrunkenen Omis?

Sportclips mit „kleinen“ Unfällen in denen sich Skateboardfahrer nach einem dämlichen Stunt einen Arm brechen?

Welcher Moment kippt von harmloser Schadenfreude in ein sensationslüsternes Gaffen?

Diese Fragen sind nicht einfach zu beantworten und jeder Mensch hat eine andere Schmerzgrenze.

Aber, leider geht mir bei dem Thema „Gaffer“ eines nicht mehr aus dem Kopf:

Was sind Snuff-Filme?

Laut Wikipedia: „Als Snuff-Film, kurz Snuff (englisch umgangssprachlich to snuff someone out = jemanden auslöschen), wird die filmische Aufzeichnung eines Mordes bezeichnet, der zur Unterhaltung des Zuschauers begangen wurde.

Sind Gaffer (gleich wir) soweit davon entfernt?

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