Die Rückkehr der Herrenfriseure: modernes Phänomen mit Tradition

Immer häufiger sieht man sie in den vergangenen Jahren. Diese Läden in den Geschäftsstraßen und Innenstädten, die mit blau-weiß-roten, rotierenden Säulen verziert sind. Man sieht wie Männer der Reihe nach darin verschwinden und adrett zurecht gemacht wieder herauskommen.

Die Rede ist von Herrenfriseuren, neudeutsch: Barbershops. Dabei galt der Barbier hierzulande eigentlich als so gut wie ausgestorben. Nun ist also dieses moderne Phänomen mit seiner langen Tradition doch wieder auferstanden. Eine Spurensuche.

Was der Barbier eigentlich war und woher er kommt

Der Begriff Barbier leitet sich vom Lateinischen barba für Bart ab. Das beschreibt sein historisches Berufsbild aber nur bedingt. Denn der Bartscherer war im Mittelalter weit mehr als ein schnöder Herrenfriseur. Es war außerdem der Mann, der faule Zähne zog, der Aderlässe machte und Einläufe verpasste. Neben Bart scheren und Haare schneiden erstreckte sich die Jobbeschreibung des Barbiers ursprünglich also auch auf die Krankenpflege.

In Deutschland fand der Berufsstand der Barbiere zunächst in den Hansestädten Verbreitung. In Lübeck, Hamburg und Danzig ist das Handwerk bzw. die Zunft der deutschen Barbiere seit dem späten 15. Jahrhundert belegt. Im europäischen Ausland, vorrangig Italien, kennt man den Barbier bereits seit dem 8. Jahrhundert. Dabei sind sie kein ausschließlich westliches Phänomen. Den Herrenfriseur gab und gibt es auch in Asien und im arabischen Kulturkreis.

Barbier oder Friseur? Was ist was?

In Deutschland dominieren im klassischen Friseurhandwerk mittlerweile die Frauen (82%, Stand: 2010). Aber das war nicht immer so. Bis ins frühe 20. Jahrhundert hinein, waren es auch hier tendenziell eher Männer, die den Beruf ausübten. Meist waren die Friseursalons noch zweigeteilt. Es gab einen Herrensalon und einen Damensalon. Dass später die Frauen die Oberhand gewannen, mag an den Umständen der Nachkriegszeit gelegen haben. Im Laufe der Jahre galt der Friseurberuf nach und nach als weibliche Domäne. Männliche Friseure waren rar und galten tendenziell als schwul. Dann kam der Wandel. Und mit ihm die Differenzierung

Zwar ist der Barbier auch Friseur, aber nicht jeder Friseur auch Barbier. Der Friseur greift zu Rasierapparat, Haarschneider und Schere. Der Barbier arbeitet mit eher archaischen Methoden, mit dem klassischen Rasiermesser, zu Flammen, zu Fäden. Damit lassen sich die „Problemzonen“ des Mannes einfacher und präziser behandeln. Die Konturen werden sauberer, die ungewollten Auswüchse aus Nasenloch und Ohr werden effektiver entfernt. Das ganze Handling ist einfach auf eher männliche Attribute ausgelegt. Scharfe Klingen, Feuer, Alkohol – für sanfte Frauenköpfe doch ein wenig zu martialisch.

Der Barbier is back

Woher der plötzliche Trend zum Barbershop in Deutschland? Hier treffen mehrere Ursachen aufeinander.

1. Einerseits haben Einwanderer die Tradition des Herrenfriseurs aus ihren Heimatländern mitgebracht. In der Türkei etwa sind Barbiere eine anerkannte Berufsgruppe und hochangesehene Mitglieder der Gesellschaft. Die muslimische Tradition will es, dass Frauenhaare nicht vor den Augen fremder Männer entblößt werden. Ein Mann könnte also nie einer Frau, sofern es nicht die eigene ist, die Haare schneiden. Reine Herrenfriseure und reine Frauenfriseurinnen sind dort gang und gäbe. Ganz so, wie es in Deutschland auch einst war.

2. Andererseits haben Film, Musik und Subkultur aus den USA ein ganz eigenes Bild von Männern vorbehaltenen Barbershops vermittelt. Es gibt sogar gleichnamige Filme und auch ein Musikstil hat sich in den traditionellen Herrenfriseurläden der Staaten entwickelt. Von hier stammt auch das Symbol der Barbiere: die dreifarbigen Säulen – meist zu finden im Logo oder als Ladenschild.

3. Hinzu kommt, dass Bärte mittlerweile sehr verbreitet sind. Sie werden als Accessoire getragen, sollen die Persönlichkeit ausdrücken. Da braucht es eine Anlaufstelle, wo man diesen Lifestyle pflegen kann.

4. Nicht zuletzt gestattet die moderne Zeit es dem Mann, mehr wert auf sein Äußeres zu legen. Um seine Männlichkeit trotz gezupfter Brauen und manikürter Hände nicht zu verraten, braucht er dafür ein spezielles Refugium – im pinken Beauty-Salon für Frauen wären ihm zumindest ein paar schräge Blicke sicher.

Dass die Barbiere so erfolgreich sind, liegt also an den Männern selbst. Sie haben sich damit einen eigenen Mikrokosmos geschaffen, in dem sie sich voll ausleben können. Nicht grundlos machen Barbershop-Besitzer den Besuch in ihrem Laden oft zu einem Event. Hier darf man Zigarre rauchen und Whiskey verkosten, während der Barbier Hand – bzw. Klinge – anlegt.

Während orientalische Barbershops eher wenig wert auf den Erlebnischarakter legen, würzen deutsche Bartscherer den Friseurbesuch gern mit entsprechenden Details. Da steckt das Team in Nadelstreifenhosen, die mit Hosenträgern festgehalten werden und der Shop vermittelt einen Hauch von Rock’n’Roll.

Egal, wohin des den geneigten Bartträger zieht, ihr Handwerk verstehen alle Barbiere bestens. Und ein Ende des Trends ist nicht abzusehen. Männer, bewahrt euch diesen letzten Zufluchtsort eurer Männlichkeit – gepflegte Bärte sind auch sexier, als Wildwuchs.

Julia Fähndrich

Julia lebt im sonnigen Apulien direkt am Meer. (Also fast.) Dort verdingt sie sich als freie Online-Redakteurin, sammelt Tattoos und Vinylplatten.