Ein Leben mit der AfD: Warum die 87% Teil des Problems sind

Jetzt ist es passiert! Die AfD ist im Bundestag mit knapp 100 Sitzen (aktueller Stand). Und schon werden viele Leute aktiv, posten fleißig dagegen und wie enttäuscht sie sind oder wie überraschend das Ergebnis für sie ist.

Willkommen in der Realität

Wenn du dich auch darüber gewundert hast, dass die AfD drittstärkste Kraft im Bundestag geworden ist: Glückwunsch! Endlich interessierst du dich auch einmal für ein paar Sekunden für Politik. Zumindest genug, um auf den Sozialen Medien kurz einen sinnfreien Post zu veröffentlichen, den viele deiner sonst auch politik-ignoranten Freunde dann liken können. Je suis Anti-AfD. Kurz darüber aufgeregt, wie schlimm es doch ist, dass die „Nazis“ wieder im Bundestag sind. Vielleicht noch ein paar Floskeln kopiert und kommentiert. Oder auch noch die alberne Binsenweisheit vor der Wahl: „Wer nicht wählt, wählt rechts.“ Die mit 76 Prozent ungewöhnlich hohe Wahlbeteiligung hat gezeigt: Viele, sehr viele haben gewählt und zwar rechts. Im Osten ist die AfD bei den männlichen Wahlstimmen auf Platz 1!

Was bleibt dir jetzt übrig? Du hast vermutlich schon erfolgreich alle Freunde auf Facebook geblockt, die geschrieben haben, dass sie die AfD wählen werden. Wer das noch nicht gemacht, konnte heute dies posten: „Alle meine Facebook-Freunde, die die AfD unterstützen, bitte sofort entfreunden! Ihr seid nicht meine Freunde!“

Genau, das die perfekte Taktik. Denn nur so könnt ihr die AfD-Wähler erfolgreich bekämpfen – indem ihr nicht mit ihnen redet, ihre Meinungen und Ansichten anhört und ihnen ihr demokratisches Recht nehmt, die Partei ihrer Wahl zu wählen.

Wie gut diese Taktik funktioniert, das sehen wir in den USA. Dort gibt es zwei massive Fronten, die zu keinem Dialog mehr in der Lage sind und schon gewalttätig aufeinander losgehen. Wollt ihr dort hin? Dass ihr euch in ein paar Jahren mit dem AfD-Wähler von nebenan auf der Straße prügelt? Alles natürlich im Sinne sie noch mehr zu isolieren zu bekehren, endlich wieder etwas was anderes als rechts der Mitte zu wählen. Klappt bestimmt!

Seid wütend

Natürlich dürft ihr euch darüber aufregen, dass die „Rechtspopulisten“ mit über 13 % die Wahl für sich entschieden haben. Doch vor lauter Wut über die „bösen Nazis“, versucht ein paar Hirnzellen zu verwenden und zu überleben, wer das euch eingebrockt hat. Das wird hier regelmäßig vergessen. Ihr seht nur das Ergebnis. Wenn ihr die AfD-Wähler schon als dumm beschimpft, dann seid doch bitte selbst so schlau und überlegt, wie es zu den 13 % kommen konnte!

Die CDU/CSU hatte vor 12 Jahren ein ähnliches Parteiprogramm, wie es die AfD heute hat. Aussagen in puncto offene Grenzen, die jetzt im Wahlkampf von der AfD kamen, haben andere Politiker – auch Merkel – vor über 10 Jahren schon von sich gegeben. Die Union hat einfach einen ordentlich Ruck nach links gemacht und einen deutlichen Anteil ihrer Wähler nicht mitgenommen. Wer jetzt noch konservativ wählen wollte, dem blieb nur die AfD. Deshalb hat die CSU in Bayern auch massiv verloren: Die Wähler haben kapiert, dass die CSU zwar ihre Werte vertritt, bundesweit aber unter Merkel nichts zu melden hat. Warum also noch die Zweitstimme für die CSU verschwenden?

Es entstand in den letzten Jahren in konservatives Vakuum rechts der Mitte, das die AfD zum Teil auch gefüllt hat. Natürlich hat sie auch Wähler von der NPD abgezogen. Aber alle, die vor 12 Jahren CDU/CSU gewählt haben plötzlich als „Nazis“ abzustempeln, nur weil sie – im Gegensatz zur Union – ihrer Linie treu geblieben sind, ist taktisch höchst unklug. Seid cleverer. Oder habt ihr euch schon einmal vom Gegenteil überzeugen lassen, nachdem ihr beleidigt wurdet? Wohl kaum.

Die guten Nachrichten

Es ist alles halb so wild. Die 13 % haben im Bundestag nichts zu melden. Sie werden zwar in den kommenden vier Jahren die dortigen Politiker belasten, aber die meisten von denen haben das auch verdient. Wer nicht auf die offensichtlichen Sorgen der Bürger eingeht, an der Bevölkerung vorbeiregiert und damit der AfD zu 13 % verhilft, muss da jetzt durch. Die SPD versucht sich aus der Affäre zu ziehen und sich jetzt als größte Opposition zu verkaufen – wird aber auch nur die Zustände kritisieren, für die sie selbst bis heute mit verantwortlich ist.

Dennoch: Die 13 % werden nicht ausschlaggebend auf die Gesetzgebung einwirken. Was für ein Theater die AfD im Bundestag veranstaltet, muss nicht beim Bürger ankommen. Wichtig ist, was hinten rauskommt.

Und da gehört es auch zu den Medien, diese Aufgabe zu übernehmen. Sie müssen nicht jeden Zwischenruf eines AfD-Abgeordneten in den Nachrichten bringen. Macht die 13 % nicht größer als sie sind. Die Linke hätte sich gewünscht, als stärkste Opposition so viel Aufmerksamkeit zu bekommen. Nehmt euch ein Gegenbeispiel an CNN. Die machen Trump wichtiger als er ist, weil es kein anderes Thema mehr gibt. Berichtet einfach über die Dinge, in denen die AfD die Politik erfolgreich mitbestimmt. Tweets sind keine News! Nicht jedes Ausatmen eines AfD’lers muss auf die Goldwaage gelegt werden.

Der wichtigste Faktor zum Schluss: Mit dem Weggang von Frauke Petry heute wird sich die AfD selbst zerlegen. Die Chance auf „gemäßigt rechts“ ist damit so gut wie vorbei und viele Wähler werden sich in Zukunft auch sagen: „deshalb hab ich die aber nicht gewählt.“ Das ging uns allen auch schon einmal so – egal welcher Partei wir unsere Stimme gegeben haben. Entscheidend ist aber, dass die AfD mit Gauland & Co. weiter deutlich über „konservativ“ hinauslaufen wird. Und allein das wird vielen Protestwählern mindestens genauso sauer aufstoßen, wie den AfD-Gegnern.

Insofern ist das jetzt einfach eine rebellische Phase – ein hausgemachtes Problem von Merkel und SPD – das sie jetzt ausbaden müssen. Wir alle müssen da jetzt durch. Aber: Wir schaffen das.

Es war ein Aussetzer der Großen Koalition und nicht der Wähler. Sind wir also froh und dankbar, dass die AfD nicht durch Kompetenz und geschicktem Auftreten glänzt. Stellt euch vor, die würden nachdenken, bevor sie den Mund aufmachen oder Twitter benutzen! Dann wäre die AfD gestern auf über 20 % gekommen. Locker! Seid froh, dass sie sich selbst im Weg stehen und dass die restlichen Parteien eine Chance bekommen, den Warnschuss zu erkennen und aus den Fehlern zu lernen!

Michael Berkholz

Der Chefredakteur. Wenn er nicht gerade PC/PS4 zockt, surft Michael online, handelt mit Optionen, baut Webseiten oder geht mit seinem Jack Russell auf Erkundungstour.

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