Generation-Gap: Jungen, die keine Männer werden

Es ist kein Geheimnis, dass die Weltbevölkerung älter wird. Noch vor 50 Jahren war die durchschnittliche Lebenserwartung für deutsche Männer 68. Die World Bank Group hat ermittelt, dass sie heute bei 78 liegt. Eine erstaunliche Entwicklung, die wir größtenteils Fortschritten in der Medizin und verbesserten Arbeitsbedingungen verdanken.

Doch wir sehen fundamentale Veränderung nicht bloß im biologischen Bereich. Vergleiche das Leben eines 25 Jährigen im Jahr 2017 mit dem eines Gleichaltrigen um 1967 und du wirst wenig Gemeinsamkeiten finden. Globalisierung, Internet, Smartphones, Vaping; die Liste revolutionären Erfindungen und Trends scheint sich endlos fortsetzen zu lassen.

Der viel diskutierte “Generation-Gap” ist eindeutig und war vermutlich nie größer als heute. Gesellschaftliche Prioritäten verschieben sich oder lösen sich vollkommen auf. Heirateten 1967 noch 458, 474 deutsche Männer, so waren es 2015 laut Statistischem Bundesamt, lediglich 369, 700. Eltern lassen sich mehr Zeit bis sie Kinder kriegen und erziehen diese dann nach anderen Werten als früher. Lehrer verlieren Autorität, keiner liest mehr und im Fernsehen regiert infantiler Humor.

All das sind Auswirkungen eine Phänomens, das vielen Altherren-Stammtische schon lange bewusst ist: Junge Leute weigern sich, erwachsen zu werden.

Die Auswahl an juvenilen Ablenkungen scheint grenzenlos. Spielekonsole, Mobile-Games, Online-Dating und Social-Media zerren den jungen Mann kontinuierlich zurück in die ewige Jugendhaftigkeit. Was einmal Haus bauen, Baum pflanzen und Sohn zeugen war, ist heute Followers sammeln, Candy-Crush spielen und feiern gehen. Warum sollte sich ein 25 Jähriger im Jahre 2017 an Job und Familie binden, wenn es so einfach ist, buchstäblich alles andere zu tun.

Auch große Unternehmen haben den Trend zur Jugendlichkeit bemerkt. Sie scheinen das Feuer bewusst zu schüren, denn kein Gefühl ist momentan so profitabel wie Nostalgie. Mit Disney an der Spitze haben es sich Filmstudios und Modeindustrie zur Aufgabe gemacht, uns täglich an die Helden unserer Kindheit zu erinnern. Geschichten um Charaktere wie Iron Man, Ninja Turtle oder Transformer waren mal Kinderkram. Heute würde es niemanden wundern, einen Vater von zwei in einem Batman-Shirt rumlaufen zu sehen.

Der Effekt schlägt sich nicht nur Kultur und Kunst nieder. Die Wahlbeteiligung in Deutschland ist seit 40 Jahren auf dem absteigenden Ast. Vertrauen in Politiker an einem historischen Tiefpunkt. Es scheint, als wolle die junge Generation keine Verantwortung mehr übernehmen.

Doch möglicherweise ist die Situation nicht so einseitig wie sie von außen betrachtet scheint. Das Durchschnittsalter von Startup-Gründern ist heute 27,3 und der Bildungsstand in Deutschland wächst stetig. Junge Männer leben gesünder, sind weltoffener und diverser als jemals zuvor. Der globale Wohlstand steigt und erzeugt dadurch veränderte Prioritäten.

Natürlich will niemand eine apolitische Bevölkerung, aber die Tatsache, dass Politik nicht mehr den Stellenwert genießt, die sie einmal hatte, wird auch damit zusammenhängen, dass die Welt konfliktfreier geworden ist. Aktuelle Streitthemen wie die Flüchtlingskrise zeigen, dass junge Menschen durchaus engagiert sind. Durch soziale Netzwerke tauschen sich Menschen aus, die vor ein paar Jahrzehnten nie wirklich aufeinander getroffen wären. Deutschland hat die niedrigste Jugenderwerbslosigkeit in der EU während die Geburtenratesteigt.

Vielleicht sollte die jüngere Generation nicht an den Standards der älteren gemessen werden, sondern die Definition von “erwachsen” neu evaluiert werden. Die Welt hat sich verändert und die Menschheit mit ihr. Es ist ein außergewöhnliches Privileg, an seiner Jugend festhalten zu dürfen und Männer, die das mit einem Sinn für Verantwortung kombinieren, werden im Endeffekt glücklicher durchs Leben gehen.

Michael Berkholz

Der Chefredakteur. Wenn er nicht gerade PC/PS4 zockt, surft Michael online, handelt mit Optionen, baut Webseiten oder geht mit seinem Jack Russell auf Erkundungstour.