Deine Energie direkt zu Hause produzieren? Ja, sagten die Nachhaltigkeits-Profis. Neue Regeln und Initiativen sollen Bürger in der ganzen EU motivieren, erneuerbare Energien im eigenen Heim herzustellen.
Klingt zu schön, um wahr zu sein? Bei uns erfährst du, wie das gehen soll.
Lebende Labore für die Öko-Energie
„Wir sehen, dass eine Transformation mit einem stärkeren Fokus auf die Bürger als aktive Energieakteure – oder Prosumenten – im Gange ist. Sie organisieren sich in Kollektiven wie Energiegemeinschaften und Genossenschaften“, sagte Dr. Inês Campos, eine Forscherin im Bereich Nachhaltigkeit an der Universität Lissabon in Portugal. Sie leitet das Projekt PROSEU, das den hauseigenen Energie-Pot zum Mainstream machen will. Im Mittelpunkt des Projekts stehen „lebende Labore“, die in neun Ländern Europas durchgeführt werden.
Dort kommen Zivilgesellschaft, Wirtschaft und Regierung zusammen, um mögliche Chancen und Möglichkeiten für Energiekollektive zu diskutieren. „Was wir am Ende dieses lebendigen Laborprozesses anstreben, ist, dass eine Gruppe von Menschen die Akzeptanz von erneuerbaren Energien erhöht hat und weitere Schritte plant“, so Dr. Campos.
Gute Aussichten: Die Zahl der Genossenschaften ist nur schon seit Beginn 2015 bis heute um 50 % gestiegen – von 2.400 auf sage und schreibe 3.600 Gemeinschaften. Schätzungen zufolge könnte die Hälfte der Haushalte der EU bis 2050 „saubere“ Energie produzieren.
Wein hat Potenzial: Rechtssystem ist keine Hilfe
Der Weinbau ist nach Ansicht der Forscher ein guter Ausgangspunkt für Energieinitiativen in Gemeinden. Wieso? Er braucht viel Energie und ist anfällig für die Veränderungen des Klimas: die perfekte Kombi.
Der Weinsektor im Süden Portugals gehört zu den ersten, die an den Energie-Projekten beteiligt waren. Sie investieren nun in grüne Technologien wie zum Beispiel in die Erzeugung von Biomasse aus Olivensteinen.
„Wir haben festgestellt, dass die Technologie nicht die größte Barriere ist“, sagte Dr. Campos. „Die Haupthindernisse, die wir bisher festgestellt haben, sind Regeln und Rechte. Natürlich gibt es auch finanzielle Barrieren, aber zum Beispiel würden die meisten Weinproduzenten in eine gute Anlage für erneuerbare Energien investieren, wenn sie damit am Ende Geld sparen würden.“ Hier zeigt sich auch schon das größte Problem in Portugal: Die Vorschriften erlauben es einer lokalen Gemeinschaft, eine Anlage für erneuerbare Energien zu besitzen, aber es ist nicht legal, die selbst erzeugte Energie auch für sich selbst zu brauchen.
Das hat viele Folgen: In Portugal gibt es nur eine einzige Genossenschaft für erneuerbare Energien, in Deutschland Hunderte. Eine Lösung muss her!
Europa zieht mit
Endlich! Die Ideen der Forscher werden vom Europäische Parlament unterstützt: Erneuerbar wird cool! Im letzten März hat das Parlament neue Vorschriften in Bezug auf saubere Energien verabschiedet, die ab 2020 gelten sollen. Die neuen Regelungen unterstützen die Menschen bei ihrem Engagement, eigene Energieprojekte zu starten und die Energie, die sie zu Hause produzieren, auch zu verkaufen. Wieso das eine Wirkung haben soll? Bisher gab es keine gemeinsamen EU-Vorschriften für solche Prosumenten.
Dr. Campos ist zuversichtlich und ist überzeugt, dass die neue EU-Gesetzgebung zu mehr Gemeinschaften für grüne Energie führt – auch dort, wo es bisher noch wenige gibt.
Neue Rechte – neues Glück: Jetzt forschen wir wie wild!
Diese Veränderungen im Recht könnten auch dazu beitragen, dass in Zukunft neue Technologien für erneuerbare Energien entwickelt werden. Ein Projekt namens Willpower hat zum Beispiel mehrere Anlagen gebaut, die das bereits in der Luft enthaltene CO2 auffangen und nutzen. Dafür verwenden sie Energie aus erneuerbaren Quellen und kombinieren CO2 aus der Luft mit Wasser und Enzymen in einer Reaktorkammer. Anschließend wird eine Reihe von chemischen Reaktionen durchgeführt, um Methanol herzustellen. Damit können dann beispielsweise Häuser geheizt werden, und zwar nicht nur kurzfristig, sondern das ganze Jahr über.
„Wir können die gleiche Energie in einem 10 oder 20 Quadratmeter großen Container speichern, die sonst eine Batterie in Größe eines ganzen Fußballfeldes speichern könnte – zu einem Fünftel der Kosten“ so Antonio Martinez, CEO des deutschen Energieunternehmens Gensoric, das Willpower betreibt.
Aktuell ist es ein Pilotprojekt, aber Martinez glaubt, dass diese Technologie zu einer günstigen Heimversion werden kann. „Ich denke, wir haben viele Leute, die daran interessiert sind, mitzuhelfen und eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung eines grüneren Systems zu spielen“, erklärt Martinez, „aber die Vorschriften und Anreize müssen vorhanden sein.“ Dann steht uns ja bald nichts mehr im Wege!