Nie wieder krank? Digitale Zwillinge revolutionieren in der Medizin

Der große Traum zahlreicher Ärzte heißt „Personalisierte Medizin“. Jeder Mensch wird ein virtuelles Abbild haben, an dem jeder den Gesundheitszustand sehen kann; im Krankheitsfall sogar die passenden Medikamente am Digitalen Zwilling austesten.

Diese digitalen Kopien sind kein neues Konzept und schon seit längerer Zeit in unserem Alltag angekommen – vor allem in der Industrie. Es sind virtuelle Abbilder von Produkten oder Prozessen. Vor allem im Internet der Dinge sind die Zwillinge sehr wichtig. Echte Geräte liefern Daten an eine Computersimulation, die reale Gegenstände im Computer imitiert.

Die Zwillinge geben Aufschluss über Verschleiß oder Nutzungsverhalten der Geräte. Außerdem simulieren sie reales Verhalten, sodass Probleme frühzeitig erkannt und eliminiert werden können. Eine Flugzeugturbine kann zum Beispiel auf unterschiedliche Flugmanöver am Computer getestet werden und verhält sich genauso wie in einer echten Situation.

Erste Anwendung in Diabetes- und Krebsbehandlung

Erste vergleichbare Anwendungen in der Medizin gibt es etwa in der Diabetes-Behandlung. Über vernetzte Messgeräte werden Blutzuckerwerte gemessen, ausgewertet und direkt an den Arzt übertragen. So kann im Notfall viel schneller gehandelt werden.

Doch personalisierte Medizin will noch viel weiter gehen: Jeder Mensch reagiert unterschiedlich auf Medikamente. Deswegen müssen Ärzte oft mühsam herausfinden, welche Therapie für eine Person die beste ist. Was aber, wenn man schon vor der Einnahme wüsste, welche Nebenwirkungen auftreten und welche Erfolgsaussichten die Behandlung hat? Digitale Zwillinge werden es möglich machen – glaubt man den aktuellen Forschungen.

Noch ist das ganze Konzept in der Testphase. Insbesondere die Krebsforschung ist sehr interessiert an dem Thema. Denn jede Krebserkrankung ist unterschiedlich und nicht jeder Tumor schlägt auf das gleiche Medikament an. Es werden also digitale Kopien des Tumors erstellt, an denen unterschiedliche Medikamente ausprobiert werden. Anhand der Ergebnisse können die Ärzte sich am Ende für die beste Therapie entscheiden.

Aktuell werden Krebsbehandlungen meist anhand von Ergebnissen klinischer Studien ausgesucht. Ein Durchschnitt vieler Personen ist also die Grundlage der Behandlung. Manchmal kann das gut gehen. In vielen Fällen ist es eher ein Glücksspiel. Es ist ungefähr so, wie wenn man jedem Menschen als Bluttransfusion die Blutgruppe A positiv geben würde, nur weil das die häufigste Blutgruppe ist.

Der digitale Baukasten für unseren Körper

Wenn alles gut geht, werden digitale Zwillinge bald sämtliche biochemischen Vorgänge unseres Körpers simulieren. Sie werden also eine Art Baukasten sein, in dem unsere Gene, Proteine und biochemischen Vorgänge enthalten sind. Anhand dieses Baukastens werden Medikamente individuell an unseren Stoffwechsel und das Erbgut angepasst.

Voraussetzung ist allerdings, dass ein offener Zugang zu Daten besteht, da nur so Forschungen die notwendigen Daten erhalten und gegenseitig abgleichen können. Dadurch ließen sich Studien an unzähligen virtuellen Patienten durchführen, ohne dass echte Menschen sich den Risiken aussetzen müssten.

Noch besteht das Problem, dass viele medizinische Informationen unter Verschluss gehalten werden. Besonders Datenschützer fürchten, dass medizinische Daten missbraucht werden könnten. Forscher haben in dieser Hinsicht allerdings weniger Bedenken. Denn mal ganz ehrlich: Wenn bei jemandem Krebs im Endstadium diagnostiziert wurde, ist Datenschutz sicherlich das geringste Problem.

Eine sichere Datenspeicherung sollte natürlich trotzdem eine hohe Priorität haben, damit Unbefugte nicht Zugriff auf sensible und persönliche Informationen bekommen.

In Zukunft lebenslang gesund?

Aktuell sind die virtuellen Patientenkopien auch noch in weiter Ferne, auch weil die dafür notwendige Genanalyse auch noch sehr teuer ist. Aber wer weiß, in ein paar Jahrzehnten bekommt vielleicht jeder Neugeborene einen digitalen Zwilling, der ihn sein Leben lang begleitet, für ihn die optimale Therapie bestimmt und Aufschluss über den gesamten Stoffwechsel gibt. Vielleicht können anhand des virtuellen Abbilds irgendwann Krankheiten so früh erkannt werden, dass gar nicht erst ausbrechen.

Moritz Klenk

Moritz hat schon immer gerne und viel geschrieben. Also wurde er Journalist. Mittlerweile ist er selbständig und schreibt am liebsten über Musik, IT, Trends und Gesellschaft.