In meiner Freizeit wird die Glotze angestellt. Dann kapituliere ich und genieße Dank Netflix, Maxdome oder Amazon das unermessliche Repertoire an Filmen und Serien.
Ja, ich bekenne mich schuldig, ich lasse mich Abends gerne berieseln und von krächzenden Zombies, einer sexy Lady mit magischem Lasso oder minder intelligenten Sitcoms einlullen.
Warum? Weil es gut ist.
Es tut mir gut, vor dem Schlafengehen nicht mit Terroristen, Kinderschändern und Politikern, die Lügen ohne Rot zu werden, beschäftigen zu müssen. Das bekomme ich zwangsweise und ungefragt von sechs Uhr morgens bis Mitternacht aufgedrängt. In ausreichenden Fernsehprogrammen, Dokus und Nachrichten präsentiert.
Klar, das ist wichtig.
Das ist die Realität.
Aber ich will und muss diese auch manchmal abschalten und klicke mich dann in die Welt von Hollywood.
Die Welt der Schönen, Reichen und Göttern in Weiß
Utopia mit satter Action, Kumpel, die immer witzig und mega intelligent sind.
Eine Illiusion mit Krimis in denen Cops cool sind und die weiblichen Detectives auf Highheels eine Verfolgungsjagd überstehen, ohne sich den Knöchel zu brechen.
Wenn ich Science Fiction, Fantasy und Jim Knopf mal außen vor lasse, muss ich mit wachsendem Erstaunen und zunehmender Belustigung feststellen, dass viele Serien und Filme noch viel erfindungsreicher sind als Joanne K. Rowling.
In Arztserien, wie z.B. „Grey’s Anatomy“ wird penibel auf Fachausdrücke geachtet. Jede Krankheit detailiiert recherchiert. Das OP Besteck für die Kamera mit fachmännischem Blick sortiert und Wunden liebevoll genäht.
Alles sieht realistisch und echt aus.
Aber hoppla, was ist denn das? Ärzte sehen nach einer 72 Stunden blendend aus. Dunkle Augenringe, fettige Haare? Keine Spur.
Sie strahlen und sind gut gelaunt, als hätten sie gerade einen Aufenthalt im fünf Sterne Spa hinter sich.
Die Patienten, kurz vorm Abnibbeln sind, trotz tödlicher Diagnose und zwanzig Bluttransfusionen gestylt, geschminkt und haben immer ein verständnisvollen Lächeln auf dem symmetrischen Gesicht.
Ich muss mal gucken, ob es in der Berliner Charity genauso abgeht.
Übertreibung nonstop
Falls ich irgendwann mal in Seattle meinen Urlaub verbringe und einen Unfall haben sollte, bei dem der Arm nur noch an einer Sehne vom Torso baumelt, werde ich den Sanitäter am gestärkten Designerkragen packen und beschwören, mich bitte, bitte nicht ins Seattle Grey’s einzuliefern.
Denn entweder ist dort gerade Bombenalarm, Flugzeugabsturz, ein Amokläufer auf freiem Fuß oder es tobt ein Hurrikane (korrekt: in Seattle??).
Und falls dieses Krankenhaus mal normalen Betrieb haben sollte, sind alle Ärzte, Krankenschwestern und Parkanweiser am Poppen.
Da muss ich auch mal das örtliche Krankenhaus inspizieren und prüfen, ob die genauso viel Spaß in den Backen haben, oder sich doch eher um eine Blindarmentzündung kümmern.
Sind jegliche Naturkatatrophen abgearbeitet, dann werden wie in der „Lindenstraße“ jede erdenkliche Tragödien ausgekramt, analysiert und therapiert.
Homosexualität, Unfall, Scheidung, Adoption, es gibt keinen Hot Dog mehr…
Ein wenig mehr Dramatik, ein bisschen mehr Logik wäre selbst mir im Unterhaltungsprogramm willkommen.
Rauchen nein – Saufen ja
Die verpönten und gesundheitsschädlichen Zigaretten sind nicht mehr gesellschaftsfähig.
Es gibt beinahe keine Figuren und Szene, in denen es die Glimmstängel heute auf die Leinwand schaffen.
Eigentlich gut.
Dafür ist Alkohol zum Thema Eins in vielen, aktuellen Serien zur Normalität geworden.
Einige wenige Beispiele:
Penny in „Big Bang“, „Two and a half man“, „Mike and Molly“, „Shameless“ etc. pp..
Die Schluckspechte und ihre „Hobbys“ bzw. Sucht wird immer charmant und witzig verharmlost und werden zu kinderfreundlichen Zeiten am Vormittag im TV gezeigt.
Ähnlich verhält es sich mit dem Vokabular. Anscheinend können nur noch wenige Serien ohne „Fuck, Schwanz , Ficken“ auskommen.
Falls diese Ausdrucksweise normal/geworden ist , dann dürfen wir aber nicht über die ach so furchtbaren Jugendlichen jammern.
Dass das Bildungsniveau sinkt und die PISA-Studien von Jahr zu Jahr schlechter werden.
Oder bin ich nicht mehr up to date? Dann zitiere ich Danny Glover und gebe ich zu „Ich bin zu alt für diesen Scheiß“.
Sauber, schlank und Führerschein
Als vor ca. 17 Jahren “ Bridget Jones – Schokolade zum Frühstück“ erschien, atmeten alle auf, die sich als moppelig, kräftig oder zu dick bezeichneten.
Endlich ein Film, mit einer mopsigen Hauptdarstellerin. Eine Heldin, die weiß, was sie will, süß ist und eine Übergröße hat.
Und was kam? Eine Blondine mit Konfektionsgröße 36 in Kinderklamotten gestopft. Pfui!
Verarsche!
Hamburger! Wenn ich einen Hamburger esse, dann sehe ich danach aus, als wäre das Ding direkt vor meiner Nase explodiert.
Im Film haben die Leute weder, Ketchup am Mund, noch Majo auf dem Hemd oder auch nur eine Krümel im Gesicht hängen. Plus: sie können ästhetisch mit vollem Mund reden.
Apropos Mund: Zähneputzen ohne Zahnpaste. Noch som ein Hollywood Phänomen. Kein Schäumen, keine weiße Kleckerei.
Warum wird eine Szene gedreht, in der sich Menschen anscheinend mit Luft die Zähne putzen. Lasst es oder macht es menschlicher.
Verarsche!
Sex in T-Shirt und Hose – Hauptsache politisch korrekt
Blind autofahren? Geht, und würde ich auch gerne können.
Da fährt man mit 280 km/h über den Highway oder durch die New Yorker Rushhour und unterhält sich in Seelenruhe mit dem Beifahrer.
Schaut für ein paar Sekunden, ach was sag ich, für drei Minuten lässig nach rechts und der Verkehr wird nicht beachtet. Alles Unfallfrei.
Liebe Drehbuchautoren, Regisseure und Produzenten:
Wenn ihr euch schon so viel Mühe gebt um in Nahaufnahme Zwölffingerdarm, Nierenstein und Hühnerauge detailliert auszuleuchten, dann lasst eure Schauspieler doch auch bitte mal ab und an auf die Straße achten.
Verarsche!
Und was ist das nur mit den Sexszenen??!
Ich rede nicht von Serien wie „Game of Thrones“ oder „American Gods“, in denen es anscheinend lebensnotwendig ist so viele Nippel und Genitalien zu präsentieren wie es nur geht.
Mich verwundert nur das irreal Getue und schamhafte Prozedere, nachdem ein Pärchen heißen, hemmungslosen Sex in Jeans, Abendkleid, Wollmantel und Filzpantoffeln hatte.
Die Frauen reißen sich die Bettdecke vor den Busen und die Männer stürzen ins Badezimmer oder ziehen sich sofort die Hosen wieder an.
Verarsche!
Traurige Wahrheit
Stört es mich? Nö.
Wer ist so konsequent und würde das Kino boykottieren? Wer streikt und schaltet aus den Fernseher aus, sobald etwas albern und unrealistisch wird?
Ich nicht. Wie schon gebeichtet: ich liebe es berieselt zu werden.
Würde in der Unterhaltungsindustrie alles perfekt laufen, könnte ich ja nicht mehr nörgeln, meckern und darüber schreiben.
Wie Konfuzius sagt: Der Klügere gibt nach, holt Popcorn, Bier und schmeißt sich in die bequeme, ausgelutschte Jogginghose.