Berlin und Berghain – dazu gehören Drogen, Dresscode, das volle Programm. Ich bin kein Fan von Techno. Es fällt mir schwer, nachzuvollziehen, warum sich jemand diesem eintönigen, stumpfen und oft überlauten Genre freiwillig aussetzen würde. Mit Sicherheit gibt es Argumente, die mir Freunde des Musikstils entgegen werfen würden, doch bis vor kurzem hätte keines meine Meinung ändern können.
Ein kurzer Trip nach Berlin letzte Woche zwang mich nun dazu umzudenken. Als ich Kollegen und Freunden in meinem Wohnort London von meinen Reiseplänen erzählte, wurde ich stets mit der gleichen Frage konfrontiert: “Are you gonna go clubbing at Berghain?” An dieser Stelle muss ich gestehen, dass ich nicht nur keine Ahnung von Techno habe, sondern mich auch in der größeren Clubszene null auskenne.
Daher bestand meine Antwort oft bloß aus einem irritierten Schulterzucken. Nachdem ich darüber aufgeklärt worden war, dass Berghain “the best club in the world” und “fucking crazy” sei, war mein Interesse jedoch geweckt – wenn es tatsächlich der beste Club der Welt ist, sollte ich ihn mir vielleicht doch einmal anschauen.
Berghain: Drogen, Dresscode und Sex
Etwas Recherche offenbarte dann einen epischen Mythos, der sich um die Berliner Techno-Disko rankt. Drogen ohne Ende, Sex auf der Tanzfläche, 72 Stunden Parties – Berghain schien wirklich ein Erlebnis zu sein. Dazu kamen die Legenden von abgeklärten Türstehern, die nur eine kleine Anzahl von Leuten einlassen. Es sei wohl üblich, nach einer mehrstündigen Wartezeit in der enormen Schlange einer Samstag-Nacht, einfach weggeschickt zu werden.
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Ausschlusskriterien wurden online leidenschaftlich diskutiert. Dresscode (keine Markenkleidung, am besten ganz in schwarz), Gruppengröße (niemals mehr als zwei), Gesichtsausdruck (cool, aber nicht zu mürrisch und bloß nicht lachen) und Homosexualität (Berghain ist technisch gesehen ein Schwulen-Club, der auch heterosexuelle Gäste toleriert; wer schwul ist, hat wohl bessere Chancen) waren nur ein paar der möglichen Faktoren.
Ich fügte also Berghain meinen Reiseplänen hinzu. Mit so vielen krassen Geschichten, war ich bereit, meine Abneigung gegenüber Techno für eine Nacht zu vergessen. Nach unserer Ankunft in Berlin und einem geschäftigen Freitag in der Hauptstadt, machte ich mich dann schließlich in Begleitung eines Freundes um kurz nach Mitternacht auf den Weg zum “besten Club der Welt”.
Wir hatten uns kopfschüttelnd durch das Meer von Drogendealern gearbeitet, die uns auf dem Weg zum Eingang alles mögliche andrehen wollten, als wir der ersten Überraschung begegneten. Es gab absolut keine Schlange. Wir konnten direkt zu den Türstehern hin, was uns zwar weniger mentale Vorbereitungszeit gab, aber auch stundenlanges Warten ersparte. Mit einem krampfhaft “coolen” Ausdruck im Gesicht und 100% gefakten Selbstbewusstsein erfuhren wir unsere zweite Überraschung: Man ließ uns rein.
Ein knappes “Abend” an die 2-Meter-Hünen vor der Tür schien genug gewesen zu sein – wir waren drin. Die Security tastete uns ab und klebte Sticker auf unsere Handykameras (Fotos sind strengstens verboten) und zeigte uns dann den Weg in den Club. Hier erwartete uns die dritte Überraschung: Eine ganz normale Atmosphäre. Keine Orgien weit und breit, niemand im krassen Drogenrausch und überraschend angenehme Musik. Als bester Club der Welt hat Berghain nämlich auch die beste Soundanlage – eine Tatsache, die meine Auseinandersetzung mit der Techno-Musik wesentlich leichter machte.
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Auch die Location an sich kann sich sehen lassen. Von außen ein trister, wenn auch gigantischer Betonklotz, überzeugt Berghain von innen mit meterhohen Decken, großen Steinsäulen und abwechslungsreicher Lightshow. Die Menschen erlebten wir als respektvoll und freundlich. Es war einfach, mit anderen Clubgängern ins Gespräch zu kommen. Da es keine abgedrehten Geschehnisse zu beobachten gab, blieb uns nichts anderes übrig, als die Tanzfläche aufzusuchen.
Hier stieß ich schließlich auf meine vierte und letzte Überraschung: Die Musik begeisterte mich fast augenblicklich. Irgendwie funktionierte die Kombination aus atmosphärischer Location und lupenreinem Sound und ließ die Stunden vorbei fliegen. Um fünf Uhr morgens verließen wir Berghain dann, um im Morgengrauen zurück zu unserem Hostel zu stolpern. Eine Erfahrung reicher und Berlin somit noch etwas lieber gewonnen.
Später erfuhren wir, dass freitags der Touristen-Abend ist, bei dem es deutlich zurückhaltender zu geht. Wir versuchten, am Samstag reinzukommen, doch wurden eiskalt abgelehnt. Für mich werden die genauen Einlasskriterien also ein Geheimnis bleiben. Mein Erlebnis ist jedoch vielversprechend genug, so dass ich bei meinem nächsten Besuch in Berlin auf jeden Fall noch einen Abstecher in den Berghain machen werde.