Der Countdown läuft. Bald rennen die fetten Irren in roten Mänteln und mit Jutesack über der Schulter durch die Straßen und müssen sich von klebrigen Kinderhändchen begrabschen lassen.
Als Zugabe werden großzügig Grippeviren und resistente Keime in die weißen Bärte genießt.
Tickende Zeitbombe
Falls ihr der Meinung seid „Weihnachten, ach das dauert doch noch lange“, dann schaut auch mal die hektischen Frauen und Feiertagsfanatiker an, die schon jetzt einen beschleunigten Bluthochdruck haben.
Macht am besten einen großen Bogen, wenn die pulsierende Ader an der Schläfe gefährlich angeschwollen ist nur noch das Weiße in den Augen zu sehen ist.
Für die Weihnachts-Besessenen bedeutet vier Wochen gleich vier Stunden. Die Panik steigt und die Zeit rennt ihnen davon.
Der Shoppingkanal läuft Tag und Nacht.
Sollte es einer wagen auch nur in die Nähe der Fernbedienung zu kommen… keine gute Idee.
Geschenkpapier, Karten und Lichterketten werden nonstop bestellt. Dann wird der Postbote zur Schnecke gemacht, weil er nicht binnen 24 Stunden, sondern erst nach 24 Stunden und drei Minuten auf der Matte steht.
Die Pakete werden bestialisch aufgerissen, der Inhalt inspiziert und behütet wie Gollum seinen Ring.
Obwohl Keller und Dachboden schon aus allen Nähten platzen, wird gehortet, gestapelt und gequetscht.
Alle müssen dran glauben
Auf Mamas Dekolleté macht sich der alljährliche hektische Ausschlag und kreisrunder Haarausfall bemerkbar.
Egal. Selbst, wenn ihr jetzt beide Arme abfallen würden, die Maschine läuft nun auf Hochtouren und ist nicht mehr aufzuhalten.
Den Kindern wird Stift und ein Blatt Papier in die Hand gedrückt und sie werden dazu genötigt einen Brief bzw. Wunschliste an den Weihnachtsmann zu schreiben. Hausaufgaben? Klassenarbeiten? Unwichtig.
Der Ehemann wird dreimal in der Wochen in den Wald gejagt, damit er schon mal den perfekten Baum, der natürlich niemals ihren Vorstellungen entspricht, aussuchen und reservieren kann.
Ist das gewünschte Objekt gesichtet worden, weicht er nicht mehr von der Seite. Er darf nicht. Mit Flinte, Stacheldrahtzaun und Megafon, werden Mensch und Tier in die Flucht geschlagen.
Die Nahrungsaufnahme besteht nur noch aus Suppe aus der Thermoskanne.
Hygiene? Ein Dixiklo. Schlafen? Auf der Isomatte im Einmannzelt.
Obwohl das Acht-Gänge-Menü seit Jahren immer dasselbe ist, werden Omas Rezepte aus der Truhe gekramt.
Abgestaubt, neu sortiert, umgeschrieben, um dann wieder sorgfältig im Schatzkästchen zu verschwinden. Sollte eventuell die Idee einer neuen Kreation aufkeimen, werden Josef Lafer oder Tim Mälzer um drei Uhr früh aus dem Bett geklingelt.
Tierisches Leid
Nun wird der Metzger aufgemischt.
Die Bestellung wird mit der exakten Grammzahl, Bioprodukten und Fettgehalt präzise eingeprügelt.
Am liebsten würde sie die Gans (die arme Sau) persönlich mästen und stündlich wiegen.
Montags, mittwochs und freitags schleicht der „Weihnachtsalptraum“ um den Karpfenteich.
Die armen Fische wünschen sich die Koffer zupacken und auszuwandern. Einige haben dem Druck nicht mehr standgehalten und sind selbstmörderisch an Land gehüpft.
Freunden und Nachbarn wird subtil auf den Zahn gefühlt, welche Pläne sie dieses Jahr in puncto Außendekoration haben.
Dann wird gerechnet, ausgemessen und weiter eingekauft.
Die Beleuchtung, muss so viel Volt haben und blenden, dass man erst nach einer Stunde wieder sehen kann. Singende und lachende Plastikrentiere haben die verdammte Pflicht zu beeindrucken. Wenn Frau Meyer die korrekte Anzahl von Neun (Dasher, Dancer, Prancer, Vixon, Comet, Cupid, Donner, Blitzen und Rudolf) im Vorgarten drapiert hat, kauft Sigrid Schneider einfach noch drei weitere und behauptet, dass Santa Claus schon immer Zwölf hatte. Punkt – Aus – Ende.
Letzte Vorbereitungen
Mittlerweile hat Mami drei Kilo abgenommen.
Aber das Licht am Ende des Tunnels ist erkennbar. Nur noch vier Wochen.
Toys R Us, rollt jedes mal den roten Teppich aus, wenn sich die konsumfreudige Furie nähert.
Amazon hat weitere Mitarbeiter/Roboter eingestellt, damit sie alle Bestellungen bearbeiten kann.
In der Küchen werden Gasherd, vier Bräter und das Tranchierbesteck sterilisiert, poliert und in Stellung gebracht, als würde eine Herz OP stehen.
Jede Zeitschrift, das bedeutet: wöchentlich mindestens vier Stück à fünf Euro, werden sich unter den Nagel gerissen. Dreimal vorne und rückwärts gelesen, Knicke in die Seiten gefaltet oder einfach rausgerissen. Natürlich nur die Interessanten mit neue und hippen Tipps für die Dekoration.
Also alle.
Jetzt muss der Neffe herhalten. Die Weihnachtsbeschallung fehlt noch.
Natürlich hat der pubertierende Teenager voll Bock seine kostbare Freizeit für die durchgedrehte Tante zu opfern.
Aber nachdem er einen Blick in die rot glühenden Augen und auf den Schaum vor ihrem Mund geworden hat, nickt er nur kurz und macht sich an die Arbeit.
Er ackert die ganze Nacht durch, natürlich viel zu langsam, und hat auf einem Stick mit der Speicherkapazität von einem Terabyte, alle nervigen, traditionsreichen Weihnachtslieder abgespeichert.
„Alle Jahre wieder“, gepaart mit Bing Crosby und von „Last Christmas“ abgerundet.
Zwischendurch werden für die Kinder die verschwitzen Nikolausstiefel befüllt und der Adventskalender mit einer Nagelpistole an die Wand geschossen.
Spätzünder
Bei vielen löst der Weihnachtsstress nur Kopfschütteln und Gänsehaut aus.
Aber: Planung darf nicht unterschätzt werden.
Millionen von Schlaftabletten und Last-Minute-Einkäufern gibt es jedes Jahr.
Die wachen dann am 24.12. ganz verdattert um 13h auf.
Wundern sich, dass Weihnachten schon wieder da ist. So plötzlich und überraschend.
Dann werden die Geschäfte panisch abgegrast, aber nichts gefunden.
Ein Glück, dass es Tankstellen gibt.