Liebst du noch oder stalkst du schon? Wo ist die Grenze?

Frauen lieben es, wenn Mann um sie kämpft. Nicht selten wird dessen Interesse auf die Probe gestellt, indem Frau sich rar macht und unnahbar gibt. Denn wir werten seine Hartnäckigkeit als Zeichen echten Interesses. Aber wie lange sollte ein Mann durchhalten, ab wann wird es creepy und wann setzt er seinen eigenen Verstand aufs Spiel?

Es ist ein schmaler Grad zwischen Hartnäckigkeit und Nachstellung. Dieses Nachstellen in allen Lebenslagen heißt auf Neudeutsch Stalking und erfüllt einen Straftatbestand. Egal, ob die verliebte Verblendung des Verehrers sein Verhalten noch als romantische Geste rechtfertigt. Schränkt die Hartnäckigkeit die Angebetete im Alltag erheblich ein, kann sie Strafanzeige stellen.

Ist das noch hartnäckig oder schon Stalking?

Es wäre so schön, aber es geht nicht: Wir können andere Menschen nicht zwingen, sich in uns zu verlieben. So sehr Frauen also die Einsatzfreude eines Verehrers schätzen, wenn sie den Mann am ausgestreckten Arm verhungern lassen, ist es Zeit, dass der sich zurückzieht. Das kann schmerzhaft werden, hat aber auch viel mit Selbstwertgefühl zu tun. Und ab einem bestimmten Punkt muss Mann sich selbst schützen. Beziehungsexperten raten davon ab, mehrere Jahre in eine Person zu investieren, die nur gemischte Signale sendet oder gar überhaupt keine Reaktion zeigt.

Es ist reiner Selbstschutz, nach den ersten gescheiterten Annäherungsversuchen aufzugeben. Denn die Grenzen wischen Hartnäckigkeit und Stalking sind fließend. So ist das stündliche Kontrollieren des Social-Media-Profils der Angebeteten noch kein Stalking. Wird aber jeder Post kommentiert, jedes Bild geliked, wird es kritisch. Spätestens, wenn sie regelmäßig „zufällig“ auf der täglichen Joggingstrecke oder im Lieblingscafé abgefangen wird, fühlt sich Frau zurecht bedrängt. Und genau dann ist der Straftatbestand des Stalkings erfüllt.

Aber Frauen wollen doch, dass Mann um sie kämpft!

Äh, ja. Soweit, so richtig. Aber spätestens, wenn wir uns von Flirtversuchen und Co. distanzieren, wollen wir auch, dass das respektiert wird. Und ich gebe zu, nicht immer drücken wir uns dabei so deutlich aus, dass das jeder Mann gleich versteht. Dennoch sollte ein Mann sich nicht so weit von seiner Empathiefähigkeit entfernt haben, um auch Signale zu lesen, die vielleicht nicht allzu direkt sind. Denn Frauen ticken da etwas anders:

Wir empfinden euer Verliebtsein, eure Werbung vielleicht als Kompliment, auch, wenn wir kein Interesse an euch haben. Wir möchten euch aber auch nicht verletzen, weshalb wir in solchen Angelegenheiten etwas verhaltener kommunizieren. Frauen verstehen ist nicht immer einfach – mit diesen Tipps geht es ein bisschen besser.

Erst recht, wenn ihr unsere Arbeitskollegen oder gar Vorgesetzten seid. Je mehr Zeit wir mit euch verbringen, desto mehr sind wir darum bemüht, ein gutes Verhältnis zu euch zu bewahren. Wir würden euch deshalb nicht vor den Kopf stoßen. Denn das kann für uns, besonders im beruflichen Kontext, schnell zu Nachteilen führen. Übrigens sind Männer, die das Desinteresse einer Frau nicht verstehen (oder verknusen) können, auch keine gefragten Wunschpartner. Beleidigte Leberwürste oder verletzte Intriganten erinnern uns dann doch zu sehr an den Kindergarten. Darum gilt: Um uns kämpfen, ja. Uns, vor allem ungefragt, auf die Pelle rücken, nein.

Wer stalkt und warum?

Es gibt einen Grund dafür, dass der stalkende Protagonist in diesem Artikel ein Mann ist. 90 Prozent aller Stalker sind nämlich Männer. Und die Hälfte davon beginnt zu stalken, nachdem sie bei der Angebeteten oder Partnerin abgeblitzt sind. 20 Prozent schrecken auch vor Gewaltanwendung nicht zurück. Und in 75 Prozent der Fälle kennen sich Stalker und Gestalkte im echten Leben. Meist sind es Ex-Paare, bei denen einer von beiden zum Stalker mutiert.

Der durchschnittliche Stalker ist ein Narzisst vor dem Herrn. Gerade Männer also, die im Büro durch Dominanz, Arroganz und an Selbstüberschätzung grenzendes Selbstbewusstsein auffallen. Männer, die dazu neigen, Grenzen zu überschreiten, sich oft durch antiautoritäres Verhalten hervortun und besonders Frauen für minderwertig und minderbegabt halten. Alles Show, denn diese Männer sind eigentlich furchtbar unsicher und verletzlich.

stalkst du schon

Und genau hier liegt das Problem. Wer ein Nein emotional nicht akzeptieren oder mit Ablehnung nicht umgehen kann, neigt dazu, überzukompensieren. Da können romantische SMS schnell in Beleidigungen umschlagen und zu ausgewachsenen Drohungen heranreifen. Der Betroffene will vermeintliche Klarheit. Er lauert dem Opfer auf, um eine „Aussprache“ zu provozieren. Aber eigentlich wünscht er sich nur, das zu hören, was er hören will.

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Was hat Stalking mit Liebe zu tun?

Genau gar nichts. Liebe basiert auf gegenseitigem Respekt, auf Vertrauen und Gleichwertigkeit. Stalking ist ein extremes Zeichen von Unsicherheit. Eine Methode, um die Aufmerksamkeit der Angebeteten zu bekommen. Ein Mittel, um sie zu kontrollieren und Macht über sie auszuüben. Die Opfer leiden in Folge einer krankhaften Nachstellung nicht selten unter psychischen und sozialen Stresssymptomen. Diese können das Privat- und Arbeitsleben nachhaltig schädigen.

Klingt nicht wirklich nach Liebe, oder? Denn, wer liebt, will bei seiner Angebeteten schließlich keine posttraumatische Belastungsstörung provozieren. Zumindest nach allgemeinem Verständnis.

Julia Fähndrich

Julia lebt im sonnigen Apulien direkt am Meer. (Also fast.) Dort verdingt sie sich als freie Online-Redakteurin, sammelt Tattoos und Vinylplatten.