Das gefährliche Leben eines Stuntmans

Dieser Artikel wurde von einem echten Stuntman geschrieben.

Das Leben von einem Stuntman ist nicht ungefährlich und der perfekte Stunt muss geübt sein. Flammen schlagen um das Dach des Autos und peitschen über das Heck.

Die Heckscheibe hält nicht mehr Stand und zerklirrt in tausend Stücke, wie ein Eiszapfen, welcher auf den Boden fällt. Mein Auto rollt noch und Jule kreischt mit zitternder Stimme:“Spinnst du! Auf keinen Fall machst du das. Das ist lebensmüde. Gleich explodiert alles!“

Sie krallt sich in meine Lederjacke, Panik hat sich in ihre Augen breit gemacht. Ich ziehe die Handbremse und reiße die Tür auf, während das Auto zu schleudern beginnt. Ich packe beherzt Jules Schulter. „110, Warndreieck hinten Links. Und nicke in die Richtung des Kofferraums. Ihre Fingernägel graben sich durch meinen Jackenärmel, als ich aus der Tür falle.Der Feuerball zischt in der Nacht. Das Rücklicht flackert wie ein greller Blitz hell auf und der Lack schlägt Blasen und reflektiert die weiß tanzenden Flammen auf dem Asphalt.

Ich jogge los und versuche das Gefühl meines Herzens unter Kontrolle zu halten. Ich habe diesen Sommer als Rettungsschwimmer zwar einiges an Land gezogen, jedoch waren es nur Krampfanfälle und ähnliche mitteldramatische Sachen. Mein Herzschlag ist ungewohnt schnell und mein Atem keucht. Ich sollte mehr joggen gehen.

Mein Kopf ist klar. Er sortiert sich in Sekunden und ist „aufgeräumt“ wie selten. Die Flamme des Abenteuers ist entzündet. Ich mag das Kitzeln des Ungewöhnlichen. Wenn es heikel wird, werde ich komischerweise umso ruhiger. Und dass obwohl ich kein Adrenalinjunkie bin.

Gefährliche Aktion mit dem Feuer

Die Helligkeit des Feuerballs brennt jetzt in meinen Augen.“Komm verdammt noch mal zurück“, brüllt Jule in einem Mix aus Wut und Angst.

Meine Schritte werden flüssiger. Nichts explodiert mehr. Um ein Auto ordentlich in die Luft zu jagen, brauchen wir beim Film ungefähr so viel Pyro, wie zu Silvester das Brandenburger Tor zu erhellen. Ganz von allein bekommst du ein Auto nicht in die Luft gesprengt. Wenn der Tank vor Hitze reißt, gibt es eine beachtliche Stichflamme, da das Benzin immer erst als Gasgemisch gefährlich wird.

Doch außer ein bisschen „Drache spielen“, hat ein Tank nicht viel zu bieten. Die extrem leicht entzündlichen Materialien an einem Auto sind die Kunststoffteile. Jene brennen mit einer unglaublichen Hitze und schnell wie Kanonenlunten ab. Und wenn du Pech hast, brennen sie auf deiner Haut klebend weiter. Das haben schon einige unterschätzt. Meine Schritte werden langsamer, der Hitzestrahl brennt so extrem in meinem Gesicht, dass ich zum Schutz mein Hände vor das Gesicht halte. Das Knistern der Flammen ist jetzt lauter als Jules Rufe. Züngelnde Schatten tanzen bis hoch zum nahen Brückendach.Ich laufe um das brennende Wrack.

Die Hitze ist weiterhin unerträglich. Ich muss ein paar Schritte weichen. Die Karosserie scheint von dem Überschlag oder Aufprall nicht zerdrückt zu sein. Der Brückenpfeiler trägt keine Spuren eines Aufschlages. Ich erkenne jetzt, dass die Fahrertür offen steht. Ok, es sind alle raus aus dem Auto. Mein Herz wird etwas langsamer. Ich atme durch. Helle Funken steigen in die Mecklenburger Nacht und tanzen um den Brückenbeton. Die Dezembernacht ist kühl und klar. Mitten im nirgendwo, 100 Kilometer vor Greifswald auf der A20.

Leben eines Stuntmans

Paul und Paulchen stehen im Schutz des Brückenpfeilers. Die Hände tief in die Hosentaschen gegraben, erscheinen sie aus dem Schatten hervor und schauen in das Feuer. „Bei euch alles ok?“ frage ich aufgeregt. Paulchen mit dem Kapuzenpulli starrt ins Feuer und zischt mit etwas Speichel vermengt russisch klingende Wortfetzen.Paul neben ihm schiebt den kurz geschorenen Kopf zwischen die Schulter und bleibt stumm.

Ihre Gesichter glühen von der Hitze und ihre Klamotten sind gefleckt mit rußigen Flecken. Stress und Adrenalin verdampfen aus meinen Adern.

Jule ist verstummt und nicht mal mehr zu sehen, nur die Kofferhaube meines Wagens steht offen.Nach einer kurzen gedrückten Stillen, wie sich Männer halt eben so kennen lernen, geselle ich mich in die Nähe des Pfeilers zu Paul und Paulchen.

Wir starren gemeinsam in die fackelnde Glut und schauen den Rauchschwaden nach. Nach kurzer Zeit fühlt es sich wie eine richtige Männer-Romantik an. Ich muss an die Brat Maxe Werbung denken und bekomme Appetit auf Grillwürstchen. Verkneife mir aber das vorbeihuschende Lächeln und lasse die Hände kollegial in die Hosentaschen sinken.

Der Orion steht majestätisch über dem angenagten Halbmond. Das tiefe Schwarz des Menschenleeren Mecklenburgs umringt uns. So ähnlich muss es im germanischen Himmel Walhalla ausgesehen haben. Die Krieger sitzen mit schartigen Waffen um das prasselnde Feuer und schweigen miteinander, da sie nur die Sprache der Waffen kennen. Um in den germanischen Himmel zu kommen, musste man Yggdrasil empor klettern. Eine mächtige Esche, die Mutter der Bäume, welche bis in den Himmel ragte. Wenn ich mir Paul und Paulchen so anschaue sehen sie zwar nicht kräftig wie Odins Gefährten aus, jedoch sind ihre Klamotten zerpflückt als hätten sie dass mit der Esche wirklich hinter sich. Könnte auch sein dass sie versuchten das Feuer mit ihren Jacken aus zu schlagen. Oder Paul hat Paulchen dazu benutzt, vielleicht sogar im Wechsel, da keiner zugeben wollte an der Elektrik gebastelt zu haben.

Crash mit Autos

„Peng!“ Geräuschvoll verabschiedet sich der linke Vorderreifen und in einem Funkenregen sackt die Front zur Seite. Beim Film stehen die präparierten Autos auf Hydraulik Stempel und sacken, gut getimt zur Explosion, ein paar cm zu Boden. Man simuliert so das zerbersten der Reifen. Wenn man sich Mühe mit Details gibt, kann einen ein Film richtig aufsaugen. Ich mag gutes Handwerk.

Daher Trainieren wir die Sequenzen für die Stunts ziemlich gewissenhaft und versuchen uns auch in Details, Realismus oder zum Beispiele Historische Hintergründe einzuarbeiten.

Das beginnt schon mit so Kleinigkeiten, wie das Schwingen einer Axt oder eines Hammers. Im Augenblick läuft noch „Das Kalte Herz“ in den Kinos. Was meint ihr, wie lange man üben muss, um ein Beil so in einen Stamm zu treiben, dass die Klinge nicht verklemmt und es wirkt, als wäre man mit der Axt in der Hand im Schwarzwald aufgewachsen. Doch man kann es mit den Fertigkeiten auch übertreiben , welches leider ein Trend geworden ist.

Wenn James Bond von einer Brücke auf ein vorbeirauschendes Zugdach springt, sieht das beeindruckend aus. In meinem Kopf macht es Sinn und könnte, wenn man hart trainiert und ein Man on the Mission ist, funktionieren. Respektvoll setze ich mich in meinem Kinosessel auf und bin gefesselt.

Doch warum muss man das mittlerweile mit einem doppelten Salto machen? Was soll der Quatsch. Mich haut’s dann immer voll raus und ich klatsche mir wie Bud Spencer stöhnend vors Gesicht. Man muss auf einem Einkaufswagen keinen Handstand machen. Es reicht auch, ihn einfach zu schieben.

Ich mag spektakuläre Stunts und bewundere welches Training dahintersteckt. Solange es realistisch bleibt!

Am Wochenende trainierten wir „Laido“, die japanische Kunst das Schwert zu ziehen. Ein lustiges Bild ergab sich in den Pausen an der McCafe-Theke. Da wir die teuren Waffen nicht im Trainingsraum liegen lassen konnten, zogen wir eben schwer gerüstet ins Schnellrestaurant ein. Warfst du unserem Trainer einen Pappbecher entgegen, zerteilte er diesen mit einem leichten Surren in der Luft. Das daraus entstehende Kunstwerk war besser als jedes Origami, lockte Kundschaft an und wir bekamen den Kaffee umsonst.

An diesem Tag lernte ich,dass die Samurai noch mal eine ganz andere Art des Schwertkampfes beherrschten,als das – ich bezeichne es mal als französisches Degen-Zahngestocher in Strumpfhosen oder das europäische Schwertgeklimper der damaligen Ritterkämpfe.

Bei den Japanern gilt es mit nur einer Bewegung das Schwert aus der Scheide zu ziehen und den Gegner sofort zu töten. Nicht nur für mich war diese Technik erstaunlich. Schon damals muss diese Fertigkeit so beeindruckend gewesen sein, dass sie schließlich in unsere Sprache Einzug hielt. Im Wort „Entscheidung“ spiegelt sich das Wort wieder. Die Wahl über Leben und Tot wurde bei den Samuraikämpfen schon getroffen, bevor er die Klinge aus der Scheide zog. Ein englischer Ritter war mit seiner Hand noch am Riemen seines Zweihänders,das spürte er schon die Japanische Klinge .

Der winzig gebogene Schwung der Klinge ist genau so konstruiert, dass sie mit dem ersten Schlag eine mongolische Lederrüstung zerteilt. Auch die Schmiedekunst dieser Schwerter und das Verdichten des Stahls ist bis heute legendär.

„Peng“.Mit einem fauchenden Knall fliegt ein zweiter Reifen in die Luft. Das Auto sackt vom Gewicht des Motors zu Boden. Über die Flammen hinweg sehe ich Julie vor den Scheinwerfern meines Autos aufgeregt hin und her wackeln. Wütend schleudert sie ihren wunderschönen blonden Haarschopf von einer Schulterseite auf die andere, um sich dann zwischen mehreren Teilen eines Warndreieckes zu knien.

Stuntmans

Von den Seitenspiegeln tropft geronnenes Silikonblut und eine kleine Feuerkugel kullert unbeholfen vor Paulchens Füße.

Der wütende Russe bückt sich und zündet sich seine Zigarette an der Flamme an.

Sich am eigenen brennenden Auto eine Zigarette anzuzünden, hat definitiv Stil. Die Russen halt.

An diesem kalten Märztag stand ich in russischer Uniform am Rand eines nachgebauten afghanischen Marktes, 20 Kilometer östlich von Berlin.

Feuer frei

Zum ersten Mal hatte ich eine Kalaschnikow in der Hand und lehnte an einem Schützenpanzer mit rotem Stern. In ein paar Sekunden wird der Regisseur von 3 abwärts zählen. Auf dieses Kommando rennen dann ca. 50 Marktbesucher schreiend wie eine Hühnerparty, welche ein Fuchs sprengt, auseinander. Mein Stuntkollege auf der anderen Seite des Panzers und ich eröffnen dann das Feuer. Jeder hat 35 Schuss. Ein Scharfschütze in einem hochgelegenen Fabrikfenster, feuert zurück. Ein paar Leute fallen dramatisch zu Boden, während ein zweiter Countdown durch die Lautsprecher startet. Dann der Impact einer Panzerfaust in den Schützenpanzer neben mir. Der Druck des Feuerballs wird heiß in mein Gesicht peitschen. Es heißt dann im richtigen Augenblick „Augen zu“ und gleichzeitig einen guten Absprung finden. Ein Seil katapultiert mich dann rücklwärts in die Luft. Im richtigen Winkel muss ich das Gewehr verlieren. Ich habe keine Lust, mir den Schießprügel ins Gesicht zu schlagen, wenn mich der Boden wiedersieht. Mein Einschlagen findet dann 6 Meter später in einem Marktstand statt, aus dem ich vorhin noch ein paar Nägel gezogen habe und spitze Deko Gegenstände entfernt habe. Wenn ich schon die Bretterbude zerlege, dann möchte ich auch weich fallen. Den eigentlichen Knall werde ich erst hören, wenn sich die splitternden Reste des Marktstandes wie ein Teppich um mich legen. Ein paar Silvester-Sterne werden über mir kreisen. Mein Atem wird wieder einsetzen. Flocken, Fetzen und Splitter werden zu Boden rieseln, während ich durch eine staubgetränkte Luft in den kühlen Märzhimmel schaue und durch die Stille auf das Wort“ CUT“ aus den Lautsprechern warte.

„CUT, CUT“ Schreit eine Frauenstimme und übertönt das Knistern des „Auto-Lagerfeuers“. „Was ist denn mit „der“ Los“, sagt der bisher stumme Russe akzentfrei und lässt sich diesmal von einem Mitmenschen seineKippe anstecken. Ich schaue ihn erstaunt an.

„FUCK!“, erklingt es wieder. Jule feuert im Scheinwerferlicht irgendetwas auf den Boden, was darauf in Stücke zerbricht. „Hübsche Frau. Gehört sie zu dir?“, ich nicke. Hole gedanklich zur Antwort aus. Mein Kopf verhaspelt sich beim Versuch die Situation gesichtswahrend zu erklären.

Das Wort Warndreieck gleitet mir aus dem Mund.Paul schaut mich mit leerem Blick an.

Jule ist sauer!“Ist euch was passiert? Hat sie sich verletzt?“ fragt Paul und ich sehe förmlich seinen Kopf dabei rattern, dass sich ihm darbietende Bild zu verstehen.

„Nein, nein ihr geht’s gut. Und selbst wenn, vergisst sie das schnell wieder!“, lächle ich beschwichtigend.“Tut mir leid wegen eures Autos.“ ,versuche ich umzulenken.“Ist nicht mein Auto. Gehört seinem Vater.“

Dampfschwaden kriechen der Ritzen über dem Nummernschild. Die Nike Air sind wahrscheinlich schon in den Aggregatzustand „Gas“ übergegangen.

„Muss der Weihnachtsmann weniger Klamotten einpacken dieses Jahr“.

Heute Morgen war ich noch beim Fitting, so nennt man die Anprobe des Outfits. Ich plauderte mit der Visagistin welche mir eine Perücke anpasste und versuchte dabei Stunt Schützer unter meinen dunkelblauen Anzug zu stopfen. Wir witzelten über Geschichten mit Stars die wir erlebt hatten. Ich könnte ein ganzes Buch mit Unfällen und Fails füllen, meinte ich während ich mein Hemd zum zweiten Mal falsch knöpfte.

Sie kicherte und winkte ab. „Werd du erst mal so alt wie ich!“

Ich wusste dass sie mal mit Michael Jackson gearbeitet hatte und so machte ich mich über den Mythos mit der abfallenden Nase lustig.

Gleich mehrere Lämpchen leuchteten am Horizont. Aufgeregt blau blinktend kamen sie schnell näher. Sie passten nicht zum wunderschönen stillen Sternenhimmel. Eine kleine Windhose aus Funken drehte sich am Pfeiler empor und zerstob in die Nacht.

Kleine glühende Häufchen hatten sich überall verteilt und wirkten wie Xmas Deko.

Ich machte zu Paul eine verabschieden Handbewegung und ein möglichst mitempfindendes Gesicht. Er nickte und zögerte. „Frohe Weihnachten“.

Frohe …. ich schaute auf das runter gebrannte Auto. Die verschlossene Kofferklappe. Den Starren Blick das Russen. „Alles.. Alles gute Euch.“ Und versuchte ein Lächeln.

Jule war verschwunden nur in weiter Ferne sah ich Reflektoren zappeln und lief auf sie zu. „Genau 400 Meter“, rief sie mir stolz mit präsentierenden Armen entgegen.

Sie hatte eine dieser Warnwesten zu einem Keul gestampft, auf einen Stock gespeist und gegen die Leitplanke gelehnt. Jule schien sehr zufrieden, hatte eine Schramme im Gesicht ,derangierte Haare aber ein gewinnendes Lächelt. „Ich werde mich um deine Wunden kümmern du erfolgreiche Kämpferin.“ ,sagte ich und zog sie an mich.

„Das ist aber nur der Anfang meiner Belohnung.Ich hasse es wenn du die Welt retten Willst. Du hast heute noch viel zu büßen.“ ,seufzte sie und umschlang meine Taille.

„Die Nächte im Winter sind zum Glück die längsten.“

MOAM Redaktion

Nicole ist Online Redakteurin und Bloggerin aus Leidenschaft. Sie ist sich sicher: Der Abwasch kann warten, das Leben nicht! Es ist an der Zeit, gute Geschichten zu schreiben.